„Wenn ich heute nicht mehr musizieren und singen kann, freut mich das Leben nicht mehr. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht singe oder spiele“ – Alphornbauer Walter Gstettner musiziert seit mehr als 60 Jahren und beherrscht mittlerweile 15 Instrumente.
Ein Bericht von Elsa Mittmannsgruber
Der „Wochenblick“ besuchte ihn in seiner Werkstätte in Vorchdorf und ließ sich von mystischen Traditionsklängen bezirzen.
Ein echtes Original: Ohne seine Hörner geht Musiker Walter Gstettner nirgendwo hin
Vor zehn Jahren stellte er nach 25 Stunden Dauermusizieren mit zehn Instrumenten einen Rekord auf. Vor neun Jahren befuhr er mit dem Fahrrad und einem Alphorn, einem Flügelhorn sowie diversen Kleininstrumenten den Jakobsweg. Überall, wo Walter Gstettner hinkommt, hat der 73-Jährige mindestens ein Instrument dabei.
Die Musik ist für ihn alles. Die Natur und die Familie machen sein Glück perfekt. Sowohl das Spielen als auch das Bauen diverser Instrumente, wie Alphörner oder Wanderstecken zum Blasen, brachte sich der stolze Opa von fünf Enkeln selbst bei. Getreu seinem Motto: „Ma tuat wos ma kau, wos ma net kau, soid ma lossn oda leana. I bin fia’s leana!“
Leidenschaft Alm- und Alphörner
Das Alphorn ist zwar ein Nationalsymbol der Schweiz, grundsätzlich aber ein Instrument der Alpen. Für Walter Gstettner deshalb ebenso ein österreichisches Traditionsinstrument. Vor dreißig Jahren entdeckte der gelernte Kaufmann seine Leidenschaft für das hölzerne Blechblasinstrument und begann kurzerhand es selbst herzustellen.
Mittlerweile baute der 73-jährige Musiker bereits dreißig Alm- und Alphörner. Dabei entwickelte er sogar seine eigene Technik, auf die er besonders stolz ist. Denn traditionsgemäß entstehen Alphörner aus der natürlichen Wuchsrichtung eines Baumes am Berg, der durch den Schnee am unteren Ende heruntergedrückt wird. Deshalb die typisch geschwungene Form. „Die ersten Alphörner habe ich nach der alten Technik hergestellt. Ich holte mir selbst meine Baumstämme zusammen mit einem Holzknecht vom Traunstein.
Die habe ich dann händisch ausgeschält, das war ein Haufen Arbeit“, erinnert sich Walter Gstettner. Doch dann kam ihm eine Idee: „Ich nahm lange, ein Zentimeter starke Holzstücke, schnitt acht Teile trapezförmig zu, leimte es in einem Winkel von 22,5 Grad zusammen und schliff es außen ab. Das Kopfteil baute ich aus 16 Teilen“, erklärt Gstettner. Mit dieser Technik schaffte er es sogar, das längste Almhorn mit satten 73 Metern herzustellen. Ein Almhorn ist im Vergleich zum Alphorn rund, wobei mehrere Windungen nebeneinander gereiht sein können.
Originell und kreativ
Walter Gstettner bewies mit seinen Werken nicht nur besonderen Erfindergeist, sondern auch große Originalität. So baute er zum Beispiel ein Vierfach-Alphorn, das einer Orgel gleicht, oder ein Rucksackalmhorn, dass man sich zum Wandern umschnallen kann. „Ich mache nur originelle Sachen, weil es etwas Anderes ist und sich abhebt vom Üblichen“, begründet der Kreativling seine außergewöhnlichen Schöpfungen, die er gerne in die Welt hinausträgt. „Ohne Instrument fahre ich nicht fort“, sagt Gstettner bestimmt und erzählt von seinen musikalischen Wanderungen und Reisen.
Besonders beeindruckend: sein Abenteuer am Jakobsweg. Diesen bestritt er nämlich von Pamplona bis Santiago de Compostella mit dem Fahrrad und einem vier Meter langen, fünfzig Kilo schweren Anhänger voll mit Instrumenten. „Tagsüber unterwegs sowie jeden Abend bei den Herbergen spielte ich mit meinem Alphorn und anderen Instrumenten. Einmal umarmte mich eine Frau mit Tränen in den Augen, bedankte sich bei mir und meinte, dass sie so etwas Schönes noch nie gehört hat“, schildert der Vorchdorfer sichtlich bewegt. Grundsätzlich aber „spielt er nur für sich“ und „wenn es jemanden gefällt, passt’s und wenn nicht dann nicht“, scherzt der Besitzer von rund hundert Instrumenten.
Brauchtum weiterführen
Doch auch wenn Walter Gstettner grundsätzlich nur für sich spielt, möchte er mit seiner Musik und seinem Auftreten etwas bewirken. „Tradition und Brauchtum sind mir unheimlich wichtig. Ich beherrsche nur regionale Instrumente“, betont der 73-Jährige, der immer nur in Tracht gekleidet und bei verschiedenen Nostalgievereinen Mitglied ist.
Mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit erklärt er: „Ich habe gar kein modernes Gewand!“ Denn er will gegensteuern: „Ich will aufzeigen, dass es etwas Anderes auch gibt, als das, dass sie uns jetzt aufzwängen. Man muss sich besinnen, was die Leute nach dem Krieg geleistet haben. Genügsamkeit und Zufriedenheit haben sie damals in Kinderschuhen mitgekriegt. Man muss die Menschen dazu bewegen zu sehen, wie es einmal war.“
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