Die Angst des Radlers vorm Verdursten

Die Angst des Radlers vorm Verdursten

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Es ist wieder einmal ein Tag der Entscheidungen. Heiß ist es auch. Das Ziel meiner geplanten Reise, der Attersee, steht fest. Nur das „Wie?“ ist noch nicht fix. Auto, Bus, Westbahn oder Vespa? Ich entscheide mich für das Fahrrad, um von Leonding nach Litzlberg zu kommen.

Ein Bericht von Georg M. Hofbauer

Bloß – welches Rad sollte es sein? Natürlich nicht irgendeins, sondern eins auf der Kippe vom Young- zum Oldtimer: Redwood Marin, nur 21 Gänge, keine Schock-Absorber, also Stoßdämpfer. Mann will sich ja fordern.

Auf dem „Redwood Marin“

Das haben wir gleich! Bei diesem herrlichen Wetter sind die Reisevorbereitungen schnell geschafft. Auf geht’s! Der Grillmeister am Attersee, den ich zu besuchen gedenke, wird mit mir noch gar nicht rechnen, denke ich so vor mich hin radelnd in den noch angenehm temperierten Vormittag hinein. Am Flughafen Linz/Hörsching bin ich schnell vorbei und an der B 1 stelle ich mich bei einem Schrebergartenfreund zu einer kurzen Plauderei ein. Die Zeit vergeht wie im Flug, aber ich muss weiter.

Vom Gasthaus Cagits in Hörsching radle ich mit der Leichtigkeit eines Sommertraums durch Siedlungen entlang des Mühlbaches. Schon kommt Marchtrenk auf mich zu! Allerdings merke ich nicht viel davon. Aus der Ferne grüßt schon Wels. Mit dem Rad geht es fast schon schneller als mit der Westbahn, überlege ich mit einem leichten Hang zur Ironie. Nun ist erstmals ein Schluck aus der Wasserflasche fällig. Diesmal habe ich vorgesorgt. Sonst gehe ich eher schlecht ausgerüstet auf Radlreisen. Das Wasser, das ich mit einem Schuss Hollersaft veredelt habe, schmeckt überaus gut.

Ärger mit der Flasche

Ich will sparsam mit diesem Energiespender umgehen, der jetzt noch angenehm kühl und erfrischend ist. Ich beschließe, mir nur alle 25 Kilometer einen kleinen Schluck zu gönnen. Entspannt radle ich nun entlang der Traun durch die Welser Heide, die bekanntlich landschaftlich nicht sehr reizvoll ist. Noch bin ich bestens in Form. Was wird das für ein Heldeneinlauf in Litzlberg bei meinem Bekannten, dem Grillmeister.
Mein nächster Schluck aus der Radlerflasche soll meinen nun schon viel trockener gewordenen Humor und meine beinahe ausgetrocknete Kehle erfreuen.

Ein leichter und vielleicht auch etwas zu hastiger Druck auf die schon eher historische Wasserflasche aus Kunststoff und der Inhalt benetzt nicht nur meine Kehle, sondern gleich meinen ganzen Körper. Duschen war eigentlich nicht angesagt.
Das bringt mich ins Sinnieren über zeitgenössisches Trinkzubehör. Trinken wird ohnehin überbewertet, tröste ich mich. Wozu gibt es überall Tankstellen und Supermärkte? Auch wenn die Welser Heide nicht besonders attraktiv ist, der Traun-Radweg ist dafür umso idyllischer. Verlockende Labstellen entlang meiner Route, die es hier noch gibt, ignoriere ich. Es rollt gerade so schön…

Schlechte Strecke

Schon ist Lambach mit seinem imposanten Benediktinerstift in Sicht. Bei gerade 30 Grad Außentemperatur sehne ich mich nach dem Schatten, den dieser beeindruckende Bau sicherlich spenden könnte. Allerdings nicht dort, wo ich gerade radle und an der Schattenseite des Stiftes muss ich leider nicht vorbei. Jetzt wird eine Pause fällig. Wie gut, dass ich gerade in der Nähe des Lambacher Freibadbuffets bin.

So schnell hat der Abenteurer noch selten einen halben Liter gespritzten Apfelsaft verdrückt. Ein Fläschchen dieses köstlichen Getränks nehme ich auch mit auf die Reise, die nun etwas ungemütlicher werden sollte. Es geht zwar weiter die idyllische Traun entlang, aber fortan holpere ich über Schotterwege und Waldwege, auf der jede Menge Stolpersteine lauern. Ob das die Reifen meines Rades schaffen werden? Seltsam! Entweder ist der Radweg jetzt nicht mehr beschildert oder ich habe ein wichtiges wegweisendes Taferl übersehen. Auch Menschen oder andere Radler sind nun keine mehr zu sehen.

Nun ja, beruhige ich mich, ich bewege mich schließlich nicht auf dem Donauradweg mit seiner autobahnählichen Frequenz. Schwanenstadt oder Schwauna, wie die Einheimischen sagen, wird südlich umfahren, bei Attnang-Puchheim hilft die Auskunft eines Seniors, um von Redlham her über Einwarting und Alt-Attnang wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Alt-Attnang mit seinen paar Bürgerhäusern versprüht sogar ein wenig Charme, stelle ich fest. Der aber dürfte von einer breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unentdeckt geblieben sein.

Stolz und Schaum

Beeindruckt von dieser Oase Alt-Attnang vergisst der Radler sogar die Strapazen, die 32 Grad Lufttemperatur und den ständig quälenden Durst. Als ich zwei Seniorinnen überhole, die mit ihren E-Bikes eher unkonzentriert-gemütlich vor sich hin radeln, stellt sich so etwas wie ein Triumphgefühl ein. Doch mein Erfolgsrausch währt nicht lang. Denn just an einer Stopptafel wird der aufkeimende Stolz über die Leistung von furchtbaren Schmerzen abgelöst, gepaart mit einem großen Schamgefühl. Ich habe mit meinem Gefährt leider eine Straßenlaterne umarmt. Just in diesem Moment ziehen die beiden Frauen mit ihren Elektro-Rädern lässig tratschend an mir vorbei.

So ein Anblick spornt natürlich an. Schnell wird der Schmerz verdrängt und schon Sekunden später sitze ich wieder im Sattel und „reite“ Richtung Vöcklabruck. Darauf freue ich mich schon sehr. Aber nicht nur weil Vöcklabruck mein Geburtsort ist, sondern weil es dort viele Supermärkte mit gut gekühlten Getränken gibt, bei denen ich Halt zu machen gedenke. Diese gut gekühlten Getränkedosen, die dort meiner harren, schieben sich nun wie eine Fata morgana ständig vor mein geistiges Auge.

Endlich ist der Vöcklabrucker Stadtplatz erreicht. Dort komme ich mir vor wie in der Wüste, so menschenleer ist er. Egal: Ich stürme den nächstbesten Einkaufsmarkt, verstaue jede Menge Getränke in meinem Rucksack und strample schon in Richtung Litzlberg, die letzte Etappe meiner Tour. Bald sind die 85 Kilometer geschafft. Ich werde dann sieben Stunden unterwegs gewesen sein und hundemüde. Aber in einem Alter von 60 Jahren muss man sich dafür nicht schämen. Die Köstlichkeiten meines Grillmeisters lasse ich mir nach einer kurzen Erholungspause trotzdem schmecken.

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