Terroranschläge, Naturkatastrophen, politische Ausnahmezustände – der Tourismus scheint in die Krise gekommen zu sein.
Wie sich das Reiseverhalten verändert und ob Terror und politische Unruhen für die Reisebranche in Österreich ein Problem darstellen, darüber wurde in der Vorwoche von Experten beim mittlerweile fünften Arcotel-Branchentreff in Wien diskutiert, zu dem Arcotel-Eigentümerin Renate Wimmer eingeladen hatte. Das erfreuliche Ergebnis der Tagung für Österreich: Auch der Inlandstourismus hat von dieser Krise enorm profitiert.

Türkei und Tunesien werden gemieden
„Des einen Leid, des anderen Freud“. Mit diesen Worten skizziert Prof. Peter Zellmann, der Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung, salopp die direkten Auswirkungen der Terroranschläge auf die Tourismusbranche. Destinationen mit langfristigen politischen Ausnahmezuständen wie die Türkei, Tunesien oder Ägypten brauchen seinen Worten zufolge mindestens zwei Jahre, um sich nach Unruhen zu erholen. „Wenn die Situation über mehr als eine Saison anhält, ist das Image nachhaltig beschädigt“, glaubt Zellmann, der von einer generellen Krise im Tourismus aber nicht sprechen möchte. Denn der österreichische Inlandstourismus sei auf jeden Fall ein Profiteur der Krise.
Flugverkehr steigt trotz krisenbedingter Rückgänge bei einzelnen Destinationen
Das bestätigt indirekt auch der Wiener Flughafen-Chef Julian Jäger, der über rückläufige Zahlen am Schwechater Airport nicht klagen kann – im Gegenteil: „Der Flugverkehr wächst weiterhin und auch wenn einzelne Destinationen krisenbedingte Rückgänge verzeichnen, so steigt das Passagieraufkommen insgesamt an.“ Weil die Flugreisenden auf andere Destinationen ausgewichen seien, sei der Sommer 2016 für den Flughafen Wien der passagierstärkste Sommer aller Zeiten gewesen. Die Türkei habe seit Anfang des Jahres mit 26 Prozent Rückgang zu kämpfen, dagegen freue sich Großbritannien über ein Plus von 30 Prozent und auch Spanien habe stark zugelegt.
Malta, wo der Flughafen Wien den örtlichen Airport betreibt, entwickle sich ebenfalls blendend, betont Jäger. Die Verschiebungen der Gästeschichten spüre auch der Städtetourismus deutlich, sagt Arcotel-Vorstand Martin Lachout: „Amerikaner oder Japaner überlegen sich mittlerweile, ob sie einen Flug nach Europa riskieren. Zuvor haben wir durch politische sowie wirtschaftliche Gründe den Rückgang von Gästen aus Russland verkraften müssen.“ Diese Art von Krisen wirken sich seiner Meinung nach „für uns langfristiger aus als vereinzelte Anschläge in Europa.“
Tourismus bleibt der wichtigste Wirtschaftsmarkt
Am Schluss der Tagung waren sich alle Experten darin einig, dass der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftsmärkte bleiben und sich auch weiter entwickeln wird. Dazu zitiert Lachout den scheidenden US-Präsidenten Barack Obama, der sagt, dass die Wahrscheinlichkeit, bei einem Terroranschlag umzukommen, tausendmal geringer sei, als einem Verkehrsunfall zum Opfer zu fallen. Dennoch: Reisende sollten trotzdem immer gut informiert sein und Reisewarnungen ernst nehmen, erklärt Zellmann und Jäger ist zuversichtlich, dass man in der Bundeshaupstadt das Ziel von 20 Millionen jährlichen Nächtigungen erreichen könne, weil der Flughafen Wien versuchen werde, mehr Destinationen an Wien anzubinden.
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