Lange Tradition der Auslöschung und Zerstörung?

Nicht nur das Erinnern, auch das Vergessen ist Teil der Geschichte

Lange Tradition der Auslöschung und Zerstörung?

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„Das Vieh stirbt, die Freunde sterben, endlich stirbt man selbst; doch Eines weiß ich, das immer bleibt; das Urtheil über den Todten.“ So übersetzte Karl Simrock 1851 jene bekannte 76. Strophe der Hávamál aus der Edda. Dass das Urteil aber auch Wandlungen unterliegt, zeigt sich bei den derzeitigen Denkmalstürmen.

von Matthias Hellner

Neu ist das Phänomen jedoch nicht. Bilderstürme (Ikonoklasmus) gab es in der Geschichte schon immer, sei es aus politischer oder religiöser Motivation. Schon die Römer kannten die Verdammung des Andenkens („damnatio memoriae“), tilgten Namen verhasster Personen und zerstörten ihre Denkmäler.

Auch Kaiser konnten davon betroffen sein. Allerdings war es eher eine Verfluchung der Person, und die Erinnerung wurde bewusst wach gehalten. Nicht ganz zufällig kennt man daher fast jeden, der in Rom der damnatio verfiel – es war vielmehr eine „Erinnerung an das Vergessen“.

Im Mittelalter spielten Denkmalstürze keine Rolle. Erst in der Neuzeit und der Moderne erfreuten sie sich wieder größerer Beliebtheit, zumeist im Zuge von Revolutionen; so etwa bei der Französischen Revolution der Sturm auf die Bastille, das Symbol der Unterdrückung. Der Abriss dieser Festung begann bereits zwei Tage nach dem Sturm am 16. Juli 1789.

Auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Zerfall des Ostblocks wurden die Symbole der überwundenen Diktatur entsorgt. Hammer und Sichel wurden entfernt und unzählige Lenin-Statuen abgerissen; wie auch in den 1960er-Jahren im Zuge der Entstalinisierung die Denkmäler des Diktators und sein Name aus dem öffentlichen Raum verschwanden.

Religiös motivierte Stürme

Da Denkmalstürme immer ideologisch bedingt sind, kann auch die religiöse Komponente überwiegen. So kam es im Zuge der Reformation zwischen 1522 und 1566 vermehrt zu Bilderstürmen in ganz Europa.

Dabei wurden Gemälde, Skulpturen, Kirchenfenster und andere Bildwerke mit Darstellungen Christi und der Heiligen sowie weiterer Kirchenschmuck – teilweise auch Kirchenorgeln – aus den Kirchen entfernt, teils verkauft oder beschlagnahmt, zerstört oder beschädigt.

Auch im Islam führt ein Bilderverbot öfter zu Zerstörungen. 2001 wurden beispielsweise in Afghanistan die Buddha-Statuen von Bamiyan von den Taliban zerstört – oder 2015 die antiken Ruinen von Palmyra in Syrien durch IS-Terroristen gesprengt.

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