Neues Haus ist für die alten Welser noch ein ungewohnter Anblick

Von der Herberge und Stätte lustvollen Zeitvertreibs zur Unterkunft für Polizei und für die Stadtverwaltung

Neues Haus ist für die alten Welser noch ein ungewohnter Anblick

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Mit der Inbetriebnahme des neuen Welser Amtsgebäudes auf dem Kaiser-Josef-Platz endete in Wels ein legendäres Kapitel der Welser Stadtgeschichte: die sogenannte Greif-Ära. An die große Zeit des ehemaligen Hotel-Restaurants mit seinem großen Kaffeehaus, den dazugehörigen Spielzimmern und dem Kino erinnert nur noch der erhalten gebliebene und weiterhin bespielbare Theatersaal.

Erinnerungen Von Kurt Guggenbichler

Dass sich an seiner Stelle einmal ein Amtsgebäude erheben würde, hätte sich das ehedem renommierte Greif in seinen besten Jahren wohl nicht träumen lassen. Dort, wo sich heute eine Polizeiwache befindet, an der Ecke Rainerstraße/Kaiser-Josef-Platz, war zu Zeiten Kaiser Franz Josefs das Offizierscasino der k.u.k. Garnison Wels situiert. Gleich nebenan, beim ehemaligen Hoteleingang, sind hohe und allerhöchste Herrschaften aus- und eingegangen, wie Chronisten aus jenen Jahren berichten.

„Im Greif wohnten auch viele Offiziere und Einjährig-Freiwillige, und wenn am Morgen der Portier herauskam und mit einem Pfiff die vier oder fünf Fiaker herbeiholte, da strömten manchmal 20-Jährige aus dem Hotel und ließen sich per Einspänner in die Kurskaserne fahren“, erinnerte sich schon seinerzeit der frühere Welser Schuhhändler Josef Haslinger (†1977), der diese Szenen als Kind einst beobachtet hatte.

Daran musste ich denken, als ich am Donnerstag, anlässlich der Eröffnung des neuen Amtsgebäudes Greif, an jener auch mir schon seit Kindheitstagen vertraut gewesenen Örtlichkeit stand. Schon der zuvor erfolgte Greif-Umbau durch den früheren Besitzer Franz Doppler hat dem Erscheinungsbild des Platzes an dieser Stelle ein neues und auch ansehnliches Gesicht gegeben. Und jetzt? Mit dem neuen Gebäude gegenüber der Bäckergasse wie auch mit seiner neuen Funktion fremdeln die Welser noch ein wenig.

Kaffeehausbesuch war Pflicht

Auch ich sehe im Geiste immer noch die alte Fassade aus den 1950er/1960er-Jahren vor mir. Damals lag das gut frequentierte Greif-Buffet neben der heutigen Polizei-Inspektion, und dieses kleine Espresso war vor allem in den dreißig Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ein beliebter Treffpunkt für die jüngere Generation. 

Im großen Kaffeehaus nebenan gab sich hauptsächlich die sogenannte vornehmere Welser Gesellschaft ein tägliches Stelldichein. Sehr beliebt bei den Damen war vor allem im Sommer der davor errichtete Schanigarten, wo man das damals noch rege Leben und Treiben auf dem Kaiser-Josef-Platz an sich vorüberziehen lassen konnte. Man konnte schauen und wurde gesehen.

Im Inneren des Cafés versammelten sich schon am Vormittag gern die Stammgäste, um sich dort einen kleinen Braunen schmecken zu lassen und dabei den Inhalt der gängigen Zeitungen zu studieren. In den meist stark verqualmten Nebenräumen versuchten sich die Schach- und Kartenspieler nicht aus den Augen zu verlieren.

Das distinguierte Treiben im damals noch gut besuchten Kaffeehaus konnten Kinogänger, wenn sie durch den langen Gang vom Kaiser-Josef-Platz-Eingang zum Kassenhäuschen strebten, aufgrund der großen Glasscheiben mit ihren durchsichtigen Vorhängen nicht übersehen.

Viel Kino im Theatersaal

Das Kassenhäuschen lag gegenüber von den Logen des großen Kino- und Theatersaals, der als einziges Relikt vom alten Greif-Komplex überlebte. 1903 war der Saal errichtet und bei einem Fliegerangriff im Zweiten Weltkrieg, am 25. Dezember 1944, stark zerstört worden.

Nach 1945 wurde wieder alles flugs aufgebaut, und sehr schnell wurde das „Greif“ wieder zu dem, was es auch in der Zwischenkriegszeit war: zu einer Welser Institution. Die Bälle im Greif und die Heringsschmaus-Feste am Aschermittwoch sind legendär.

Ich war damals für solche Lustbarkeiten noch zu jung, war aber bereits ein eifriger Kinobesucher im Greif, weil man dort viele Hollywood-Monumentalfilme zeigte wie „Ben Hur“, „Cleopatra“, „El Cid“ oder „55 Tage in Peking.“ Diese verfolgte ich im Kinosaal meist von meinem Lieblingsplatz aus, einem Sitz in der Mitte der letzten Reihe, die man als fußfrei bezeichnete und die unmittelbar vor den Logen verlief.

Neubau wäre teurer gewesen

In dieser Logenreihe (so die offizielle Bezeichnung) stimmte ich mich eines Tages im Jahr 1960 auf das spannende Kriegs-und Invasionsepos „Der längste Tag“ ein. Dass die echte Invasion erst 16 Jahre zurücklag, hatte ich als 11-Jähriger noch nicht realisiert.

Doch trotz meines jungen Alters würde ich das, was ich gleich zu sehen bekäme, gut begreifen – wie auch die Sex-Live-Show, die ich zeitgleich in der Loge hinter mir geboten bekam, zumindest in akustischer Form. Denn ein Paar nutzte dort die Einsamkeit in der Loge und die Dunkelheit des Kinos für den Austausch von Intimitäten, was trotz des Kriegslärms und der Filmmusik, die aus den Lautsprechern dröhnte, nicht zu überhören war.

Als schließlich vor mir auf der Leinwand gerade amerikanische Soldaten den Küstenabschnitt der Normandie lautstark und verlustreich erstürmten, dürfte – den Geräuschen nach zu urteilen – dem Mann hinter mir auch die Eroberung seiner Begleiterin gelungen sein.

Ich musste schmunzeln, als ich jetzt, bei der Amtshauseröffnung, nach langer Zeit wieder einmal in meinem alten Kinosaal stand und mich dort an das nun schon 60 Jahre zurückliegende Ereignis erinnerte. Zum Glück ist dieser Theatersaal erhalten geblieben, freue ich mich.

Die alten quietschenden Holzsessel gibt es dort nicht mehr, und auch alles andere wurde vorbildlich renoviert. „Ein Neubau wäre uns wesentlich teurer gekommen“, erläutert Bürgermeister Andreas Rabl beim Rundgang, „er hätte mindestens 30 Millionen Euro verschlungen.“ 

Diese Tatsache hat das Theater letztlich vor dem Abbruch bewahrt wie auch der Umstand, dass so ein Stück Welser Tradition unbedingt erhalten bleiben musste. Aus diesem Grund hat die Stadt auch den Greif-Komplex von Franz Doppler gekauft und rund um den Theatersaal, das neue Amtsgebäude mit 54 modernen Büros für 130 Magistratsmitarbeiter errichtet.

Service-Center für die Bürger

In dem noch leerstehenden dritten Stock gibt es zusätzlich Erweiterungskapazitäten. Auch Wohnungen sollen in dem Gebäude noch einige zu haben sein.

Magistratsdirektor Peter Franzmayr bezeichnet den Amtsgebäudeneubau als „einen Meilenstein“, weil die Bürger bei der Erledigung ihrer Anliegen künftig nicht mehr von Büro zu Büro irren müssten. Als angenehm empfinde ich es auch, dass man der Bevölkerung dort die in Amtsstuben obligat gewordenen Sicherheitsschleusen am Eingang mit Körpervisitation erspart. Sollte wirklich einmal Gefahr drohen, so hat man die Polizei ohnehin im Haus.

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