Bonelli: Wenn keiner mehr arbeitet – wer finanziert dann die Intensivbetten?

Unangenehme Fragen

Bonelli: Wenn keiner mehr arbeitet – wer finanziert dann die Intensivbetten?

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Der österreichische Neurowissenschaftler, Psychiater und Psychotherapeut Raphael M. Bonelli richtet in einem neuen Video Fragen an die Regierung. Es heißt, dass ein zweiter Lockdown die Überlastung von Österreichs Gesundheitssystem verhindern soll. Angeblich seien die Hospitäler voller COVID-Fälle. Ist das wirklich der Fall? Wie ist die Lage tatsächlich? Warum gibt in diesem Jahr keine Grippeaktivität zu verzeichnen? Hat Corona etwa die Grippe getötet?

Von Alina Adair

Der bekannte Psychiater Raphael M. Bonelli vom RPP Institut meint, dass der Engpass im Bereich der Intensivbetten in Österreich um diese Jahreszeit keine Ausnahmeerscheinung ist. Auf Youtube veröffentlichte er seine Meinung zur Lockdown-Strategie und betonte, dass jeder “Lockdown eine große Belastung für die psychische Gesundheit und vielfach die Verhältnismäßigkeit verloren gegangen sei”. Bonelli bestätigte, dass sich die Intensivstationen füllten, dies hätten ihm auch Kollegen im Gespräch wieder bestätigt. Er mahnte hinsichtlich der Erklärung der angeblichen Notwendigkeit des Lockdowns wegen eines Mangels an Intensivbetten allerdings, zwischen einer kurzfristigen und einer langfristigen Perspektive zu unterscheiden.

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In Österreich wird im epidemiologischen Meldesystem (AGES) Buch über die Belegung der Krankenhausbetten geführt. Aktuell befinden sich insgesamt 709 Personen in Intensivbehandlung, die zudem mit dem Coronavirus infiziert sind (Stand: 26.5. November), das bedeutet 59,3 Prozent aller österreichischen Intensivbetten, die für Coronapatienten vorgesehen sind, sind momentan belegt.

Oberösterreich ist mit 148 Covid-Patienten auf Intensivstationen zu 94,3 Prozent am stärksten ausgelastet, Tirol und die Steiermark folgen auf den Plätzen 2 und 3. In Wien hingegen sind die Intensivbetten mit vergleichbar vielen schweren Verläufen nur zu 35,5 Prozent belegt. Wien verfügt über mehr Kapazitäten und weist deutlich mehr Intensivbetten auf als andere Bundesländer.

Laut Gesundheitsministerium gibt es in Österreich insgesamt 44.183 Normalbetten, davon 2.451 Intensivbetten. (Privatkrankenhäuser sind hier nicht mitgezählt).

Der „Standard“ berichtet, dass knapp 40.000 Akutbetten (ohne Intensivstationen) zusätzlich verfügbar sind. Das erklärt auch, warum in der ersten Welle im Frühjahr trotz hoher Patientenzahl teilweise noch 20.000 Betten für Corona-Fälle „verfügbar“ waren.

In Deutschland 21 Prozent der Intensivbetten frei

Laut „Klinik-Monitor“ sind in Deutschland 21 Prozent der Intensivbetten frei. Der Zahlenvergleich zu Österreich zeigt, dass dort mit 27.866 Betten noch wesentlich mehr Intensivbetten frei sind. Deutschland könnte bei Bedarf zusätzlich 11.976 an Reservebetten mobilisieren.

In 3.795 Fällen, 14 Prozent, sind Intensivbetten mit COVID-19-Infizierten belegt, 18.235 (66 Prozent) mit anderen Notfällen und 21 Prozent (5.725) der bundesweiten Intensivbetten sind frei. Die Spanne der freien Betten bewegt sich zwischen 14 Prozent in Berlin und 32 Prozent in Schleswig-Holstein. Von den Kliniken insgesamt melden 151 (12 Prozent) momentan voll ausgelastet zu sein, 538 (43 Prozent) haben „erste Engpässe“ und 552 (44 Prozent) verfügen derweil noch über freie Kapazitäten.

Hat Covid-19 die Grippe besiegt?

Was in den Zahlen oben bisher keine Erwähnung findet, ist die jährliche Grippewelle. In Wien meldete das Zentrum für Virologie an der Medizinischen Universität, dass „derzeit in Österreich […] noch keine Influenzavirus-Aktivität zu verzeichnen” sei. Angeblich gäbe es keine gemeldeten Grippe-Infizierten oder gar Grippetote, was doch reichlich ungewöhnlich ist, wenn man die Vorjahre betrachtet. Normalerweise füllen sich exakt um diese Jahreszeit die Krankenhäuser mit Grippe-Patienten. In diesem Jahr bleibt das aus?

Seit der 40. Kalenderwoche (28.9. – 4.10.) überwacht AGES die aktuelle Grippesaison und auch von dort wird berichtet, dass noch keine aussagekräftigen Influenzasichtungen erfolgten.

Eigentlich sterben jede Saison Menschen am Grippevirus – 2020 soll alles anders sein?

Immer wieder hatte die Zahl der Grippetoten in den vergangenen Jahren geschwankt. Die Zahlen reichen von Hunderten zu mehreren Tausenden in einer Grippesaison.

2015/16 gab es nur 259 Todesfälle, ein Jahr später 2016/2017 während der großen Grippewelle jedoch 4.436. In der Saison 2017/18 starben 2.851 an dem Grippevirus. In der Saison 2019/20 liegt die Zahl bei 834, wobei AGES auf seiner Webseite erwähnt, dass sie diesmal mit der Zählung zwei Wochen früher aufgehört haben und das Ergebnis somit verfälscht sein könnte.

Beim neuartigen Corona-Virus sind für Österreich 2.235 Todesfälle gemeldet (Stand: 24. November/AGES), demnach bewegt sich die Mortalität des Corona-Virus im Mittelfeld des Influenzavirus der letzten Jahre und bleibt im Rahmen.

Warum keine Lockdowns bei der Grippewelle?

2016 / 2017 starben fast doppelt so viele Menschen an Grippe wie 2020 an Covid-19. Bislang ist aber nie jemand auf die Idee gekommen, eine große Grippewelle durch Abstand halten, Maskenpflicht oder Lockdown einzudämmen.

Kurzfristig mag die Überlegung der Regierung, durch einen Lockdown das Gesundheitswesen zu entlasten, richtig sein. Langfristig jedoch sind Intensivbetten der größte Kostenfaktor in der Medizin. Es wäre wichtig, sicherzustellen, dass der Staat dauerhaft in der Lage sei, diese hohen Kosten auch zu finanzieren. Ohne Steuerzahler könnte das ein Problem werden. Momentan müssen eine immer kleinere Anzahl an Steuerzahlern nicht nur die üblichen Staatsausgaben und den Lockdown finanzieren, sondern auch die Intensivmedizin, die einen erheblichen Kostenfaktor darstellt. Man bedenke hierbei, dass bereits für den ersten Lockdown 50 Milliarden Euro investiert wurden.

Bonelli: “Wer Menschen Arbeit verbietet, kann keine Intensivbetten finanzieren”

“Wir werden in Zukunft immer weniger Intensivbetten haben!”, überlegt Bonelli, “weil eine immer kleinere und immer stärker belastete Gruppe von Steuerzahlern nicht mehr in der Lage sein werde, diese Herausforderung zu bewältigen.”

“Und das System, in dem der Staat die wenigen, die noch etwas leisten, ausschöpft und das, was er bekommt, an alle anderen verteilt, das ist schon einmal gescheitert. Das war der Ostblock.”

Betten in Krankenhausfluren gab es immer wieder

Bonelli sagt, es sei elementar, kurzfristiges und langfristiges Denken klar auseinanderzuhalten. Ein Engpass im Bereich der Intensivbettenanzahl sei um diese Jahreszeit völlig normal und keine Ausnahmeerscheinung. In Jahren mit einer ausgeprägten Zahl an Grippepatienten sei dies immer der Fall gewesen, ohne dass es eine öffentliche Aufregung oder gar einen Lockdown nach sich gezogen habe.

“Wir als Ärzte stöhnten darüber und empfanden es als mühsam”, erklärt Bonelli, “es gab in solchen Zeiten auch Gangbetten. Dass in jedem Dorf dauerhaft zehn Intensivbetten zur Verfügung stehen sei zwar wünschenswert, aber nicht umsetzbar.”

Gerade mit diesem Hintergrundwissen sei es sinnvoll, leistungsbereiten Menschen die Arbeit nicht zu verbieten, statt sie mit ihrem eigenen Steuergeld fürs Nichtstun zu bezahlen.

Quellen:

(1) https://covid19-dashboard.ages.at/dashboard_Hosp.html

(2) https://apps.derstandard.at/privacywall/story/2000121075020/zahl-der-verfuegbaren-corona-betten-in-oesterreich-schwankt-massiv

(3) https://interaktiv.morgenpost.de/corona-deutschland-intensiv-betten-monitor-krankenhaus-auslastung/

(4) https://www.virologie.meduniwien.ac.at/wissenschaft-forschung/virus-epidemiologie/influenza-projekt-diagnostisches-influenzanetzwerk-oesterreich-dinoe/aktuelle-saison-20202021/

(5) https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/grippe/saison-202021/

(6) https://rpp-institut.org/ueber-rpp/

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