Lehrer am Limit: Corona, Schulen und Regierungschaos

Enorme Belastung für Lehrer, Direktoren, Eltern und Schüler

Lehrer am Limit: Corona, Schulen und Regierungschaos

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Lehrer, Eltern und Kinder stoßen beim Homeschooling inzwischen massiv an ihre Grenzen. Der „Wochenblick“ hat mit mehreren verzweifelten Lehrern und Schuldirektoren in Oberösterreich gesprochen. Zum Schutz der noch im Dienst stehenden Pädagogen geben wir den genauen Dienstort in unserem Beitrag nicht bekannt. Die Namen wurden von der Redaktion geändert.

Von Elsa Mittmannsgruber, Bernhard Riegler und Edith Brötzner

Unser erster Gesprächspartner ist Direktor an einer Volksschule. Stefan H. berichtet von immensem Druck, der auf ihn und seine Lehrerkollegen von oben ausgeübt wird. Das Bildungsministerium schweigt. Wichtige Informationen erfährt der Schulleiter oft nur über die Nachrichten und Medien. Es ist bereits vorgekommen, dass er am Wochenende in die Schule geordert wurde, um die gelieferten Covid-Testkits vor Ort in Empfang zu nehmen.

Wie Stefan H. die Testkits, laut Weisung, am darauffolgenden Montag an die Schüler verteilen sollte, die im Homeschooling sitzen, sagte ihm keiner. Der korrekte Ablauf wird vom SQM (School Quality Manager, früher Schulinspektor) genau überprüft. Eine Herausforderung ist auch die Betreuung der Kinder in der Schule. Besonders, wenn Abstandsregeln eingehalten werden sollen und gleichzeitig das Betreuungspersonal für die ausgedünnten Klassen fehlt.

Als Schulleiter gibt er die Anweisungen von oben an die Lehrer weiter und erntet inzwischen nur noch Ärger und Frust dafür. Rückfragen an die Bildungsdirektion bleiben unbeantwortet. Der Direktor bringt Verständnis auf: „Die können ja auch nicht anders.“ Jeder Tag wird zur Herausforderung. Normale Arbeitszeiten gibt es nicht mehr.

„Wir Lehrer müssen sieben Tage in der Woche erreichbar sein und auch am Wochenende alle Anrufe annehmen, falls plötzlich irgendeine Familie Corona-positiv ist. Ein Privatleben gibt es nicht mehr“, so Stefan H. Spannend wird es auch, wenn Lehrer selber Kinder daheim im Homeschooling haben. Das ist eine doppelte Herausforderung.

Belastung für alle Seiten

Viele Kinder vereinsamen gerade völlig und die Erziehungsberechtigten drehen langsam durch. „Turnen und Werken im Distance Learning findet wenig Beliebtheit bei den Eltern“, lacht der Schulleiter. „Viele glauben, dass die Lehrer im Homeschooling auf der faulen Haut liegen und nur auf ihr Gehalt warten. Die Realität sieht anders aus. Die Lehrer haben ihre Leistungsgrenze erreicht und sind psychisch am Limit. Der Unterricht bedeutet Arbeit ohne Ende mit wenig Effekt.”

Auch für die Kinder ist das Distance Learning eine enorme Belastung. Neben dem Kontakt zu den Klassenkollegen fehlt daheim die nötige Unterstützung. Homeschooling und Homeoffice lässt sich selten kombinieren. Bewerkstelligen lässt sich das im besten Fall durch den Einsatz williger Omas und entsprechenden Wunderkindern.

Die Stimmung kippt langsam bei allen Beteiligten. Lehrkräfte, deren Überstunden nicht bezahlt werden, funktionieren nur mehr. Eltern, deren Job oft am seidenen Faden hängt, werden immer aggressiver. Ein Lösungsvorschlag? „Die einzige Lösung: Rückkehr zum Normalbetrieb!“

Angespannte Stimmung

Auch unsere zweite Interviewpartnerin Maria K. berichtet von ähnlichen Zuständen. Sie unterrichtet Geschichte und Deutsch an einer Neuen Mittelschule. Als besonderes Problem sieht die Lehrerin, die selbst via Attest vom Mund-Nasenschutz befreit ist, die Maskenpflicht im Unterricht. Die Kinder klagen über Schwindel, Kopfweh und sind unkonzentriert. Eines der Kinder ist deswegen sogar im Spital gelandet. Auch die psychische Belastung für die Schüler ist extrem.

„Motivation, Aufmunterung und Stärkung ist das, was die Kinder jetzt dringend brauchen. Die ständige Angstmache durch die Medien verstört die Schüler. Manche fürchten sich, dass sie ihre Familie gefährden, wenn sie die Maske unter die Nase ziehen. So kann das nicht weitergehen“, erzählt die Pädagogin. Im Konferenzzimmer macht sich eine starke Spaltung bemerkbar. Die „ORF-Schauer“ meiden Lehrer, die aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen dürfen. Man spricht nicht mehr miteinander.

Die Remonstrationspflicht (siehe Info am Fuß des Artikels) wird selten von den Lehrern wahrgenommen. Davon will auch der Direktor nichts wissen. Er sieht sich rechtlich geschützt durch das Bildungsministerium. Das Wissen über Haftung und Verantwortlichkeit fehlt in der gesamten Lehrerschaft.

Ein massives Problem ist inzwischen, dass die Schüler nicht mehr erreichbar sind und den Pädagogen entgleiten. Manche kommen auch nach einem Anruf bei den Eltern nicht in die Betreuung. In den Homeschooling-Videokonferenzen sind nur fünf von dreiundzwanzig Kindern sichtbar. Manche schalten die Kamera am Laptop aus, anderen fehlt die entsprechende Technik. Gelegentlich kommt es vor, dass sich im Onlineunterricht Schüler aus höheren Schulstufen einschleichen und ganze Klassen, inklusive Lehrer aus dem virtuellen Klassenzimmer werfen.

Die Stimmung ist kurz vor dem Kippen. Eltern, Lehrer und Kinder haben genug vom Maßnahmenwahnsinn. Die kommende Zwangsimpfung sieht Maria K. kritisch: „Viele wollen kündigen, wenn sie zur Impfung verpflichtet werden. Auch wenn wir Lehrer gewohnt sind, Befehle zu empfangen und umzusetzen, an diesem Punkt hört der Gehorsam für viele auf.“ Ein Wunsch zeichnet sich bei unserem Gespräch ganz klar ab: Rückkehr zur Normalität, bevor das Schulsystem endgültig den Geist aufgibt.

Sehnsucht nach Normalität

Dasselbe wünscht sich auch unser nächster Gesprächspartner, Reinhard M., ein Neue-Mittelschule-Lehrer, der Deutsch und Geographie unterrichtet. Die Sehnsucht nach einer raschen Rückkehr zum alten, maßnahmenfreien Schulalltag ist groß. Angst vor dem Virus hat er keine. Dazu gebe es aus wissenschaftlicher Sicht keinen Grund. An seine Kollegen appelliert Reinhard M., endlich mit dem Kadavergehorsam aufzuhören und sich bei alternativen Medien über die Fakten zu informieren.

Bei den Eltern sieht der Lehrer eine deutlich kritische Haltung zu den Maßnahmen. Siebzig Prozent der Eltern lehnen ihm zufolge die Einschränkungen ab. Auch unter den Schülern macht sich Widerstand bemerkbar. „Ein zehnjähriger Klassensprecher brachte das Thema Maskenpflicht während des Unterrichts zur Sprache. Die Klasse stimmte ab. Das Ergebnis: Dreiundzwanzig Kinder lehnen die Masken ab, weil sie keine Luft bekommen. Nur ein Kind hält die Maske aus“, erzählt Reinhard M.

Im Lehrerzimmer ist dieses Verhältnis völlig anders. Neunzig Prozent stecken fest in ihrer Angst und nur zehn Prozent hinterfragen die Maßnahmen. Kritiker trauen sich nur hinter vorgehaltener Hand darüber zu reden. Wer nicht der gängigen Meinung entspricht oder keine Maske trägt, wird gemobbt und fürchtet um seinen Job. Distance-Learning funktioniert auch an dieser Schule nicht besonders gut. Der Lehrplan ist nicht durchführbar, weil kein neuer Stoff unterrichtet werden darf.

Wie den Kindern die fehlenden Inhalte vermittelt werden sollen ist unklar. Besonders betroffen sind Kinder mit Lernschwierigkeiten und schwierigem sozialen Umfeld. Betreut werden aktuell zwanzig von dreihundert Kindern in der Schule von Reinhard M. Für Förderunterricht fehlt das Personal. Die Remonstrationspflicht sieht der Pädagoge nur als theoretische Möglichkeit. In der Praxis wären soziale Ächtung und finanzielle Nachteile die Folge. Auch die Angst um den Job spielt eine große Rolle.

Aufklärung ist gefordert

„Die Informationen fehlen! Man müsste die Lehrer über die rechtliche Situation aufklären“, wünscht sich unser Gesprächspartner. Ministerium und Gewerkschaft kommunizieren, dass die Remonstrationspflicht nicht tragend ist und die Haftung für Pädagogen keine Rolle spielt. „Bis es eine bessere Lösung gibt, hilft nur mitschwimmen. Zukunft hat dieser Job für mich keine mehr.“

Zur Info: Remonstrationspflicht

Grundsätzlich hat ein Lehrer die Weisungen eines weisungsberechtigten Vorgesetzten zu befolgen. Wenn er aber um ihre Rechtswidrigkeit weiß, hat er die Pflicht zur Remonstration, das heißt, seine Bedenken zu äußern. Dabei kommen unterschiedliche Rechtsnormen zum Einsatz, die aber dieselben analogen Rechte und Pflichten beinhalten.

Paragraf 44 im Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das für Universitätslehrer und Bundes-
lehrer (AHS, HTL, HAK, …) zum Einsatz kommt, Paragraf 30 im Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 (gilt für Pflichtschullehrer) sowie diverse Landesgesetze (in Oberösterreich Paragraf 47 im Landesbeamtengesetz 1993) für pragmatisierte Landeslehrer regeln die Dienstpflichten gegenüber dem Vorgesetzten.

Der Wortlaut des jeweils dritten Absatzes ist in all diesen Rechtsvorschriften nahezu ident: „Hält der Beamte eine Weisung eines Vorgesetzten […] für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.“

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