„Wir sind am Ende!“ – Das Puppenspielerpaar Selina Reinhard und Norman Becker, das wegen des Lockdowns kein Einkommen hat, sitzt in Freistadt fest und lebt dort quasi von der Hand in den Mund. Um überleben zu können, hat es bereits mit dem Verkauf entbehrlicher Arbeitsmittel begonnen.
„Würde die Regierung zu Beginn des nächsten Jahres einen erneuten Stillstand des Landes verordnen, sind wir endgültig pleite“, sagten die beiden jungen Leute, die ein reisendes Kasperltheater für Kinder betreiben zu einem Zeitpunkt, als noch nicht wussten, dass die Regierung einen solchen sogar bereits ab dem Stefanitag einführen würde.
Wie alle Kleinkünstler sind sie mangels Publikums schon eine Weile zur Untätigkeit verdammt. Nur der Großzügigkeit und Spendierfreudigkeit der Menschen in Freistadt sei es zu verdanken, dass sie noch nicht ganz pleite sind, sagen Selina (24) und Norman (33), die beide aus Deutschland sind. Dort gäbe es eine derartige Hilfsbereitschaft nicht, wie sie betonen.
Neuorientierung
Selina kommt aus Dresden und Norman aus Wittenberg. „Ich entstamme einer alten Zirkusfamilie, für die ich bis vor fünf Jahren noch als Clown, Feuerspeier oder auch Jongleur tätig war“, sagt Becker. Leider wurde das Unternehmen aufgelöst und der damals 28-Jährige war gezwungen, umzusatteln. „Ich wurde Puppenspieler.“
Ausschlaggebend dafür war sein Onkel, der das größte Figuren-Theater Deutschlands betreibt. In dieser Zeit der Neuorientierung lernte Norman auch seine heutige Lebensgefährtin Selina kennen, „übers Internet“, erläutert er, „wie das heute eben so ist“. Sie kommt ebenfalls aus einer Zirkusfamilie.
Ihre Eltern betreiben den Zirkus „Pinelli“, der in Traun festsitzt, was ein glücklicher Zufall ist. „So kann ich hin und wieder einmal mit meiner Lebensgefährtin zum Essen und zum Duschen zu meinen Schwiegereltern kommen, obwohl diese zur Zeit auch ums Überleben kämpfen müssen“, sagt Becker.
Ihn plagt zudem ein schlimmes persönliches Problem, weil er seit acht Jahren permanent an Sehkraft verliert. „Ich leide an der unheilbaren RP-Augenkrankheit und sehe heute nur noch 35 Prozent.“
Hilfeschrei
Daher ist er auch froh, Selina kennengelernt und nun an seiner Seite zu haben.
Sie muss schon jetzt ein wenig seine Schritte lenken, und Norman kann sich ausrechnen, wann er überhaupt nichts mehr sehen wird.
Dass sich Selina auch fürs Puppenspielen begeistert hat, ist für beide ein Segen, selbst wenn die augenblickliche Corona-Situation das Leben für die beiden jungen Leute noch beschwerlicher macht. „Jeder hat eben sein Päckchen zu tragen“, sagen sie bescheiden und mit einem Anflug von leichter Verzweiflung in der Stimme.
Aus dem Grund sind sie auch „überaus dankbar“ für die Hilfe, die ihnen in Freistadt zuteil wurde. Vor allem Dominik Zellner, der Platzwart der ÖTB-Halle, wo das Puppenspielerpaar seinen Wohnwagen stehen hat, hätte ihnen sehr unter die Arme gegriffen wie auch der Obmann des ÖTB in Freistadt, Thomas Pointner.
Wie es weitergehen kann? Selina und Norman zucken mit den Achseln und sagen: „Über Spenden, die bei uns abgegeben werden, würden wir uns sehr freuen.“