Übergewichtige sind besonders anfällig für eine schwere Covid-19-Erkrankung, heißt es in einer aktuellen Studie, die noch nicht von Experten begutachtet oder in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde. Denn das Corona-Virus infiziere Fettzellen und bestimmte Immunzellen im Körperfett und erzeuge eine Immunantwort, die zu großen Schäden, auch an den umliegenden Organen, führen könne. Das infizierte Körperfett könne zu „Long Covid“ beitragen, mit Symptomen, die Wochen oder Monate, nach einer Infektion, anhalten.
Das Ergebnis könnte erklären, warum Übergewichtige oder Adipöse einem höheren Risiko für schwere Erkrankungen und den Tod durch COVID-19 ausgesetzt sind. In der Studie testeten Forscher der Stanford University School of Medicine das Fettgewebe von Patienten nach „bariatrischen“ Operationen (Eingriff zur Beseitigung des Übergewichts), um herauszufinden, ob sie sich mit dem Corona-Virus infizieren könnten. Sie untersuchten verschiedene Arten von Zellen – Adipozyten oder Fettzellen sowie Prä-Adipozyten, die zu Fettzellen werden, und Immunzellen, die man „Fettgewebe-Makrophagen“ (Fresszellen, weiße Blutkörperchen) nennt.
Auslöser für Organschäden
Das Forscher-Team stellte fest, dass sich Fettzellen infizieren können, aber nicht übermäßig entzünden. Bestimmte Immunzellen-Makrophagen könnten sich aber infizieren und eine starke Entzündungsreaktion haben. Darüber hinaus waren die Prä-Adipozyten nicht infiziert, trugen jedoch zur Entzündungsreaktion bei. Die Forscher untersuchten auch Fettgewebe aus den Körpern europäischer Patienten, die an COVID-19 starben, und fanden das Corona-Virus im Fett um verschiedene Organe, einschließlich des Herzens und des Darms. Das könnte mit dem Organschaden in Verbindung gebracht werden, der bei schweren COVID-19-Patienten beobachtet wurde, schrieben sie.
Virus nistet im Fettgewebe
Philipp Scherer, ein Wissenschaftler, der Fettzellen am UT Southwestern Medical Center in Dallas untersucht, brachte es auf den Punkt: Das Virus könne direkt Fettzellen infizieren. Was auch immer im Fett passiere, es bleibe nicht im Fett. Es wirke sich auch auf das benachbarte Gewebe aus. Das Corona-Virus scheint sich der Immunabwehr des Körpers zu entziehen und im Fettgewebe „herumzuhängen“, was es ihm ermöglicht, sich zu replizieren und eine schwere Immunantwort auszulösen, sagte David Kass, Professor für Kardiologie an der Johns Hopkins Medicine. „Wenn Sie wirklich sehr fettleibig sind, ist Fett das größte einzelne Organ Ihres Körpers“, sagte er. Das Corona-Virus „kann dieses Gewebe infizieren und sich dort aufhalten“, fuhr er fort. Es werde zu einer Art Reservoir.“
Studie ist Weckruf für Ärzteschaft
Die Ergebnisse könnten Wege für neue COVID-19-Behandlungen eröffnen, die auf Körperfett abzielen. Medikamente, die eine Entzündung des Fettgewebes bei adipösen Patienten lindern, könnten COVID-19-Patienten helfen, schrieben die Studienautoren. „Dieses Papier ist ein weiterer Weckruf für die Ärzteschaft und das öffentliche Gesundheitswesen, sich eingehender mit den Problemen von übergewichtigen und fettleibigen Personen sowie den Behandlungen und Impfstoffen zu befassen, die wir ihnen geben“, sagte Dr. Barry Popkin, ein Adipositas-Forscher an der Universität von North Carolina in Chapel Hill. Popkin hat COVID-19-Risiken für übergewichtige und adipöse Patienten untersucht. „Wir dokumentieren weiterhin das Risiko, das sie haben, aber das werde immer noch nicht berücksichtigt, sagte er.