Der Kinderarzt Dr. Martin Hirte ist einer der bekanntesten Impf-Experten im deutschen Sprachraum. Der Bestseller-Autor verfasste bereits mehrere Bücher zum Thema Impfen und liefert gerade für Eltern unverzichtbare Nachschlagewerke, um eine individuelle Impfentscheidung für die Kinder zu treffen. Mit dem „Wochenblick“ spricht er über die Corona-Impfungen und spart nicht an Kritik.
Interview geführt von Elsa Mittmannsgruber
Was halten Sie von den Corona-Impfungen?
Zu Corona-Impfstoffen kann man noch nicht viel sagen, denn bekanntermaßen waren die Impfstudien verkürzt und die Zulassungen notfallmäßig. Wir wissen nicht, wie gut und wie lange die Impfstoffe schützen, wir wissen nicht, ob sie die Weiterverbreitung des Coronavirus bremsen können. Die Corona-Impfstoffe könnten ein Mittel sein, schwere Erkrankungen bei alten Menschen zu verhindern. Solange wir nicht mehr über Nebenwirkungen wissen, sollten sie vorrangig dieser gefährdeten Gruppe angeboten werden.
Die führenden Politiker werben intensiv für die Corona-Impfungen, Risiken sparen sie dabei aus. Was sagen Sie dazu?
Die Politiker haben sich mit ihrer Pandemie-Strategie völlig verrannt: Ein Erkältungsvirus lässt sich mit Lockdowns nicht dauerhaft, sondern höchstens vorübergehend beeindrucken. Auf einen Lockdown folgt daher immer gleich der nächste. Den Entscheidungsträgern bleibt für das politische Überleben nur ein Strohhalm, um aus dieser Sackgasse herauszukommen: Eine funktionierende Impfung. Aus diesem Grund wird die Corona-Impfung so intensiv beworben, und deshalb wird über Impfpflicht debattiert.
Ungereimtheiten bei den Impf-Studien
Kann man den Studien zu den Corona-Impfstoffen trauen?
Wirkung und Nebenwirkungen sind essentielle Informationen für die Zulassung, Vermarktung und Akzeptanz von Impfstoffen. Die Hersteller haben bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit immer die Tendenz, den Nutzen zu übertreiben und die Risiken herunterzuspielen. So wurden schwere Nebenwirkungen der HPV-Impfung erst nach Jahren von dänischen Ärzten aufgedeckt.
Die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna haben ein neues Wirkprinzip, mit dem es noch keine Erfahrung am Menschen gibt. Schon während der Zulassungsstudien kam es zu auffallend vielen Nebenwirkungen. Man weiß nichts über Spätfolgen, sei es im Nerven- oder Immunsystem. Zudem sind Risikopatienten und sehr alte Menschen in den Studien der Hersteller so gut wie nicht vorgekommen. Hinzu kommt, dass die Politiker starken Druck auf die Zulassungsbehörden ausgeübt haben, die Corona-Impfstoffe möglichst schnell zuzulassen. Die meisten Impfstudien sind zu klein und zu kurz, um Auskunft über seltene Nebenwirkungen zu geben. Bei den Corona-Impfstoffen wurden die Studien gegenüber den üblichen Prüfphasen aber sogar noch weiter gekürzt.
Auch Peter Doshi benannte im British Medical Journal einige Ungereimtheiten bei den Zulassungsstudien der Corona-Impfstoffe. Bei Moderna etwa wurden mehrere hundert Probanden ohne Begründung aus der Auswertung ausgeschlossen, und bei BioNTech/Pfizer wurden mehrere Tausend erkrankte Probanden mit negativem PCR-Test nicht nachgetestet und daher auch nicht berücksichtigt. Doshi forderte die Veröffentlichung der Studienprotokolle, aber so weit werden es die Hersteller nicht kommen lassen.
Impfschäden
Impfschäden werden allgemein sehr schwer als solche anerkannt. Ist das auch bei den Corona-Impfungen zu erwarten?
In Deutschland gibt es von der Gesellschaft für Epidemiologie die Forderung nach einem anonymen Impfregister, mit dem Impfungen mit Krankenhausdaten abgeglichen werden können. Auf diese Weise könnten auch langfristige Impffolgen entdeckt werden, die zu einer stationären Behandlung führen. Ein effektives Register wurde bisher nicht eingerichtet, vermutlich besteht daran auch kein großes Interesse. Möglicherweise müssen wir uns wie bereits 2009 bei der Schweinegrippeimpfung auf Daten aus Skandinavien verlassen. Jeder Impfstoff kann zu Impfreaktionen führen. Bei den Corona-Impfstoffen sind allergische Reaktionen gesicherte und neurologische Komplikationen sehr wahrscheinliche Impffolgen. Auch die inzwischen fast 30 registrierten Todesfälle bei alten Menschen mit schweren Grunderkrankungen in Norwegen werden von der dortigen Regierung für eine wahrscheinliche Impffolge gehalten. Ein Damoklesschwert liegt auch noch über den bereits Geimpften: Lebensbedrohliche antikörperverstärkte Erkrankungen, die auftreten könnten, wenn der SARS-Erreger soweit mutiert, dass die bei der Impfung entstandenen Antikörper ihn nicht mehr komplett neutralisieren.
Bessere Immunität nach Erkrankung?
Was sagen Sie zur herbeigeimpften Herdenimmunität bei Corona?
Wenn die Impfung eine Übertragung des Virus durch Geimpfte nicht verhindern kann, kann sie auch nicht zur Herdenimmunität führen. Dieses Szenario ist wahrscheinlich, denn auch Personen, die an COVID-19 erkrankt waren, können das Virus aufnehmen und weitergeben, ohne erneut zu erkranken. Trotzdem könnten gut wirksame und gut verträgliche Impfstoffe den Weg durch die Pandemie erleichtern, indem sie bedrohte Bevölkerungsteile schützen.
Zu beachten sind auch die Unterschiede zwischen einer natürlichen und einer künstlichen, also durch Impfung bedingten Immunisierung. Bisher ist unklar, ob die Immunität nach einer Coronaerkrankung nachhaltiger ist als nach einer Impfung. Ein häufiger Kontakt mit verschiedenen Coronaviren dürfte jedoch zuverlässiger vor künftigen Neumutationen schützen als die Impfung, die ja nur Antikörper gegen eine kleine, definierte Stelle des Virus erzeugt. Man hat beispielsweise beobachtet, dass Erwachsene, die viele Kontakte mit Kindern und ihren Erkältungskrankheiten haben, ein besonders niedriges Ansteckungsrisiko und ein geringeres Risiko für schwere COVID19-Erkrankungen haben. Aus epidemiologischer Sicht wäre es daher möglicherweise besser, wenn sich Menschen mit geringem Erkrankungs- und Komplikationsrisiko – etwa Kinder, Jugendliche und gesunde Erwachsene – mit dem Wildvirus durchimmunisieren, begleitet von guten Schutzkonzepten für Risikogruppen.
Dieser Weg wurde von verschiedenen Fachleuten vorgeschlagen, jedoch von den Entscheidungsträgern nie ins Auge gefasst. Man fürchtete dabei zu viele Opfer. Stattdessen hat man die Kindergärten und Schulen geschlossen, die Wirtschaft heruntergefahren und jede Menge Kollateralschäden in Kauf genommen, um die Kurve flachzuhalten und die Pandemie in die Länge zu ziehen. Das dürfte aber letztlich zu mehr Todesfällen führen als ein schnellerer Durchlauf.