Seit Beginn der 2010er stellten die Fans von Videospielen fest, dass auf Webseiten, die sich vorher Gameplay und Grafik gewidmet hatten, auf einmal immer öfter Themen wie Diversität und Feminismus in den Vordergrund rückten.
Wer irritiert die Frage stellte, was das eigentlich auf Videospiel-Websites zu suchen habe, fand sich schnell den immer gleichen Vorwürfen ausgesetzt: Man sei wohl ein Frauenfeind und sicher auch ein Rassist.
Kritik oder Frauenhass?
Im August 2014 brachte ein Tropfen in Form einer unterdrückten Diskussion über journalistische Ethik das Fass zum Überlaufen. Es wurde öffentlich, dass eine Spiele-Entwicklerin ein Verhältnis mit einem Journalisten hatte, der in seinen Artikeln von ihr und ihren Spielen geschwärmt hatte. Leser und Gamer waren empört und brachten ihre Kritik an solchen Vorgängen in Foren und auf Social Media zum Ausdruck. Doch anstatt die konstruktive Kritik anzunehmen, reagierten die führenden Spiele-Medien mit altbekannten Vorwürfen: Die Kampagne für „journalistische Ethik“ sei nicht ernst zu nehmen, dahinter stehe Frauenhass und der Wunsch, weiblichen Entwicklerinnen zu schaden. Jede weitere Diskussion wurde unterdrückt und Tausende Forumposts zum Thema gelöscht.
In die rechte Ecke gestellt
Kurz darauf erschien innerhalb von 48 Stunden eine große Menge sehr ähnlich klingender Artikel. Ihre Titel lauteten: „Gamer müssen nicht euer Publikum sein, Gamer waren gestern” oder „Eine Anleitung um die ‚Gamer‘ zu beenden”. Kurz gesagt: Die Webseiten, deren Existenz direkt von den Gamern abhing, begannen ihre Zielgruppe aufs übelste zu beschimpfen. Der Schauspieler Adam Baldwin („Firefly”) gab dem Skandal auf Twitter einen Namen und „#GamerGate” war geboren. Von der Branchenpresse wanderte die Diskussion in den Mainstream und dort wurde mit hoher Reichweite immer wiederholt, dass #GamerGate eine Hassgruppe sei, die mit allen Mitteln gegen Frauen und Minderheiten in der Gaming-Szene vorgehen würde. Weder die Tatsache, dass Frauen und Minderheiten selbst Teil der Revolte waren, noch klare Widerlegungen einzelner Behauptungen, wurden wahrgenommen. Wenn Journalisten kritisch nachfragten, wurden sie von ihren eigenen Kollegen in die rechte Ecke gestellt.
The Kids are Alt-Right
Und heute, fünf Jahre später, sehen wir die Folgen dieser immer wiederholten falschen Behauptungen. In der Zwischenzeit wurde #GamerGate von Medienvertretern für nicht weniger als den Aufstieg der Alt-Right, die Wahl von Donald Trump und die Attentate von Christchurch oder Halle verantwortlich gemacht. Immer wieder holen Journalisten die Konsumentenrevolte hervor, wenn es irgendeine negative Entwicklung in der Welt zu erklären gibt. Artikel mahnen, die „Lehren aus #GamerGate” für den Kampf gegen den Rechtspopulismus zu verwenden – auch wenn das FBI in einer großangelegten Untersuchung keinerlei Zusammenhang zwischen den Unterstützern des Hashtags und „Drohungen gegen Entwicklerinnen und Aktivistinnen” finden konnte.
Invasion der Moralisten
Die Wahrheit ist: #GamerGate war der Beginn einer Gegenbewegung zum Siegeszug des „progressiven” Puritanismus. Zum ersten Mal wurde erfolgreich Widerstand gegen eine Invasion der Moralisten geleistet, wie sie schon so manche blühende Subkultur in eine langweilige, politisch korrekte Wüste verwandelt hat.
Und das macht den intersektionalen Aktivisten und ihren Freunden in den Redaktionen Angst.
+++ Autor: Markus Rübsamen, unter dem Decknamen „Marsaffe“, ist einer der Mitbegründer des medien- und kulturkritischen Podcasts „Die Weltraumaffen“ immer sonntags, 18 Uhr auf YouTube. +++