Wels kennt man als Bauernstadt, Messestadt und Einkaufsstadt. Dass Wels aber lange Zeit auch ein wichtiger Ort der Ledererzeugung war, ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Nur noch ein Turm am Stadtplatz erinnert mit seinem Namen daran und nun auch eine Ausstellung, die dem Ledererhandwerk gewidmet und kürzlich eröffnet worden ist. Die Exposition in der Welser Burg ist bis Ende November zu sehen.
Ein Teil dieser Sonderausstellung, die Ingeborg Micko vom Stadtmuseum gemeinsam mit dem letzten noch existierenden Welser Sattlermeister Georg Winklmayr inszeniert hat, ist der Loh- beziehungsweise Rotgerberei gewidmet, weil diese den größten Anteil am Ledermarkt ausmacht wie die Ausstellungsgestalterin betont.
Der Lohgerber und der Rotgerber
Die Berufsbezeichnung Lohgerber oder Rotgerber war eine spezialisierte Form der Gerberei, bei der man Rinderhäute zu strapazierfähigen, kräftigen Ledern verarbeitete, die dann für die Herstellung von Stiefeln, Sätteln, Ranzen oder Schuhsohlen verwendet wurden. Lohgares Leder ist kaum elastisch, dafür gewinnt es beim Gerben auf Kosten der Fläche an Dicke, erläutern Experten, wodurch ihm Wasser und schwache Säuren nicht schaden können.
Im zweiten Teil dieser Ausstellung im Burgmuseum wird die Lederverarbeitung einer Sattlerei gezeigt, bei der auch die in 30 Jahren persönlich gesammelten Exponate von Johann Winklmayr Verwendung fanden.
So gut wie nichts mehr zu sehen gibt’s freilich im Stadtgebiet von den einstigen Betrieben der Lederherstellung und -verarbeitung, die eine 750-jährige Tradition in Wels hatten.
Lederviertel zwischen den Mühlbacharmen
Die Lederer siedelten hauptsächlich entlang des Mühlbachs, da für den mühsamen Gerbprozess auch die Versorgung mit ausreichend Wasser erforderlich war. Ein stinkendes Handwerk, das auch für reichlich unangenehme Düfte sorgte, war es obendrein. Daher entstanden die Produktionsstätten der Ledererzeugung außerhalb der damaligen Stadt. Sie lagen westlich von jenem Stadttor, das noch heute Ledererturm heißt, weil man bei seinem Durchschreiten ins Lederviertel kam, das zwischen den beiden Mühlbacharmen lag.
Die heutige Fabrikstraße war die ehemalige Lederergasse und an beiden Seiten mit einer ununterbrochenen Reihe von Häusern bebaut, erläutert Ingeborg Micko. Um das Jahr 1750 herum zählte man 65 Liegenschaften in diesem Viertel, wobei jedoch nicht in jeder ein Lederer wohnte oder arbeitete. Denn mit dem wachsenden Reichtum einzelner Betreiber dieses gefragten Gewerbes verlegten jene, die sich’s leisten konnten, ihre Wohnsitze in die Stadt und rückten nur noch zur Arbeit ins Lederviertel vor den Stadtmauern aus.
Vom Lederviertel blieb nicht viel übrig
Das heutige Erscheinungsbild dieser Örtlichkeit hat mit dem einstigen Lederviertel nicht mehr viel gemein, zumal auch die 1864 beim späteren Welser Volksgarten errichtete Lederfabrik in den 1980er-Jahren einem Einkaufszentrum gewichen ist.
Doch bereits 1771, lange vor Errichtung der Ploberger-Fabrik, hatte ein Brand das Viertel zerstört und verändert. Weitere Veränderungen erfuhr das Gebiet 1875 durch den Bau der Schwimmschulgasse (an der auch Lederer werkten) und mit dem Bau der um 1900 errichteten Theodor-Körner-Gasse, die die Fabrikstraße mit der Maria-Theresien-Straße verbindet.
Die Fliegerbomben des Zweiten Weltkriegs haben einen weiteren Beitrag zur Zerstörung des alten Lederviertels geleistet. Auch die Welser selbst waren nicht zimperlich, wenn es um das Einreißen von alten Häusern ging. Nur noch ganz wenige Gebäude lassen durch ihre Hausform, ihre Fassadengestaltung und ihren Freskenschmuck ihre frühere Nutzung erahnen, informiert Micko.
Aus Manufakturen wurden Fabriken
Der Übergang vom Handwerksbetrieb zur Manufaktur und weiter zur Fabrik ist in Wels ab dem 18. Jahrhundert fließend verlaufen. Dies betraf die Betriebe von Ignaz Heiliger als auch die 1821 gegründete Lederfabrik Reichart auf dem Stadtplatz, die man 1888 um eine Fabrikationsstätte in Lichtenegg erweiterte.
Östlich der Stadt entstand ab 1847 die Lederfabrik Adler, die 1922 mit der Lederfabrik Ploberger fusionierte, sich aber zwölf Jahre später auflöste. In der Freiung gab es noch die Lederfabrik Josef Aichberger, die von 1874 bis 1914 existierte. Heute ist alles weg.
Bedeutsame Ledererzunft
Dabei wurde die Ledererzunft in Wels bereits 1437 erstmals erwähnt, was darauf schließen lässt, dass es damals schon eine durchgreifende Organisation gab – wie Ingeborg Micko betont. Die Lederer zählten zu den wenigen Handwerken, die in Wels das Bürgerrecht erwerben konnten. Die wirtschaftliche Bedeutung der Ledererzunft zeigte sich auch am sozialen Aufstieg einzelner Mitglieder wie bei Josef Haselsteiner, der von 1834 bis 1838 Bürgermeister der Stadt Wels gewesen ist.
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