Sie verstehen sich als „Bewahrer von Kunst und Kultur“ und als eine Gegenbewegung zur Wegwerfgesellschaft: Die Antiquitätenhändler. Einer von den rund hundert in Oberösterreich ist Jörg-Rudolf Kraus. Der „Wochenblick“ stöberte in seinem gewaltigen Fundus im Antikhof in Hörsching ganz unter seinem eingängigen Motto: Finden Sie das Stück, das Sie schon lange suchen.
Eine Reportage von Elsa Mittmannsgruber

Eine grenzenlose Nostalgie erfasst mich, als wir durch den antiquarisch gefüllten Vierkanthof von Jörg-Rudolf Kraus geführt werden. In jeder Ecke finden sich Unmengen an Raritäten. Von kleinen Porzellanfiguren über beeindruckende Gemälde bis hin zu prunkvollen Holzkästen. Von Raum zu Raum steigert sich das Staunen bis hin zum Dachboden des Antikhofes. Dort treffen auf dutzenden Quadratmetern kunstvollste Antiquitäten auf brüchige Ziegelwände und einen knarrenden Holzboden. Gepaart mit den Sonnenstrahlen, die gerade durch die vielen Fenster dringen, bildet dies für mich den Höhepunkt unserer Führung.
Beeindruckendes Ambiente

„Ich bekomme immer wieder Anfragen von Fotografen, die den Dachboden als Kulisse verwenden wollen“, bestätigt Kraus meinen Eindruck vom einzigartigen Ambiente. Immer mehr Fragen stellen sich mir beim Anblick der Kostbarkeiten und im Innenhof des Vierkanthofes bekomme ich dann meine erhofften Antworten. Jedermann kennt den Begriff „Antiquität“. Und viele von uns haben bei dem Wort vielleicht auch den speziellen Geruch von den alten, wurmstichigen Holzschränken in Großmutters Schlafzimmer in der Nase. Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff? Jörg-Rudolf Kraus klärt mich auf: „Grundsätzlich sind alle alten, erhaltenswerten und hochwertigen Kunst- und Kulturgüter, Einrichtungsgegenstände und auch Baumaterialien Antiquitäten. Möbelstücke sollten beispielsweise aus der Zeit vor 1850 sein. Pauschalisieren kann man das aber auch nicht, siehe Jugendstil.“ Wenn ich es genauer wissen will, soll ich im Duden nachsehen, rät mir der 46-Jährige scherzhaft. Das mache ich natürlich und finde nichts Gegenteiliges, dafür aber noch Ungenaueres: Eine Antiquität ist ein „altertümlicher Gegenstand aus dem Kunsthandwerk (Möbel, Porzellan u. a.).“ Kurz gesagt: es ist Ermessenssache.
Gefühl für Qualität

Gerade dieses Ermessen ist es aber, welches für den Antiquitätenhändler erfolgsentscheidend ist. Da es für diesen Beruf keine fundierte Ausbildung gibt, muss sich ein Interessierter all sein Wissen selbst aneignen. Was er unbedingt braucht, ist ein Gefühl für Kunst und Qualität. Denn an letzterem bemisst sich der Wert eines Objektes. „Die feine Ausarbeitung, die Stilelemente… Da muss einem einfach der Knopf aufgehen“, erklärt Kraus, der schon mit jungen 18 Lenzen zum Sammeln begann. „Vor allem das Suchen und Finden gefällt mir so an der Arbeit. In Verlassenschaften oder Dachböden zu stöbern, das ist sehr spannend“, schwärmt der Raritäten-Jäger. Für ihn ist dieses Auffinden von Objekten bis hin zum Restaurieren und Aufarbeiten von geschichtlichen Hintergründen eine wichtige Arbeit zur Bewahrung von Wissen und Kulturgütern. „Ohne den Antiquitätenhandel würde es auch viele Antiquitäten nicht mehr geben“, ist sich Jörg-Rudolf Kraus sicher und verweist darauf, dass bereits die Römer mit Antiquitäten gehandelt haben sollen.
Vintage im Trend
Was gerade „gut geht“, wie Händler zu sagen pflegen, hängt sehr vom Zeitgeist ab. „Gerade bei den Jüngeren ist Vintage derzeit sehr beliebt. Sie wollen billigere, sehr originelle und jüngere Möbel aus den Siebzigern zum Beispiel…“, weiß der Verkäufer. Dies sind für ihn auch Trends der Zeit: Schnelllebigkeit und Wegwerfartikel. „Junge Leute kaufen sich einen Kasten nicht unter der Perspektive, dass sie ihn lange behalten. Beim nächsten Umzug nehmen sie die Dinge auch nicht mit, sondern kaufen sich was Neues. Dementsprechend darf es nicht allzu teuer sein“, erläutert Kraus weiter. Grundsätzlich sieht er Antiquitätenhändler jedoch als „Gegenbewegung zur Konsum- und Wegwerfgesellschaft“. Denn über Jahrhunderte werden Möbel und Kunstobjekte weitergegeben, die für die Ewigkeit gebaut wurden. „Bevor die Industrialisierung und Massenproduktion überhandnahmen wurden die Dinge so gefertigt, dass sie ein Leben und weit darüber hinaus halten. Die meisten Menschen hatten kein Geld. Sie kauften sich Möbelstücke einmal in ihrem Leben und diese durften dann nicht zwei Jahre später kaputtgehen“, begründet Kraus den beständigen Reiz am Alten. Für ihn steht fest: „Es ist die Geschichte dahinter, die Harmonie der Möbel, die hohe Qualität, die Gediegenheit und die künstlerische Gestaltung, was Menschen an Antiquitäten im Gegensatz zu Bauhaus-Möbeln fasziniert.“
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