Für die einen ist er „der beste Innenminister aller Zeiten“, andere sehen in ihm das personifizierte Scheitern von „Türkis-Blau“. Im exklusiven Interview spricht Herbert Kickl über seine Amtszeit als Minister und die Zukunft der FPÖ.
Ein Interview geführt von Chefredakteur Christian Seibert
„Wochenblick“: Herr Klubobmann Kickl, inwieweit hat sich die FPÖ aus Ihrer Sicht nach der „Ibiza-Affäre“ gefangen?
Kickl: Es ist uns sehr rasch gelungen, uns zu organisieren. Innerhalb der Partei wie auch auf parlamentarischer Ebene. Wir haben schnell die wesentlichen Führungsfragen geklärt und zu einer guten Aufgabenteilung gefunden. In den vergangenen Tagen haben wir die Weichen für einen Wahlkampf gestellt, bei dem ich guter Dinge bin, dass wir an einstige Erfolge anknüpfen können.
Die politischen Auftraggeber des „Ibiza-Videos“ sind noch unbekannt. Wer steckt dahinter?
Wenn man mit Hausverstand an die Dinge herangeht, muss man sich fragen: Wem nutzt es? Wer politisch vom Einsatz des Videos am stärksten profitiert, ist meiner Einschätzung nach wohl die ‚alte ÖVP‘ mit Zentrum in Niederösterreich. Sie hat die Chance genutzt, das Innenressort wieder in den Griff zu bekommen. Deshalb musste ich weg aus dem Ressort, aber auch kein anderer Freiheitlicher durfte statt mir Innenminister werden. Eine andere Frage ist die der Produktion. Da ist spannend, dass einer der Beteiligten – der Detektiv Julian H. sich angeblich damit brüstet, seit einigen Jahren Informant für das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu sein. Auf der Homepage der Detektei standen jedenfalls das Innenministerium und das Bundeskriminalamt als „Kunden“ drauf. Noch interessanter ist, dass genau dieser Mann, der ja auch im Ibiza-Video mitspielt, beim geplatzten Gerichtsprozess gegen seinen ehemaligen Partner ein seltsames Privileg genießen sollte, nämlich, dass er als Zeuge via „Skype“ aussagen darf und nicht im Verhandlungssaal anwesend sein muss. Und die ursprünglich auch gegen ihn geführten Ermittlungen in dieser Betriebsspionage-Sache sollen vom BVT im Herbst 2017 kurz nach dem Dreh des Ibiza-Videos eingestellt worden sein. Das können natürlich alles Zufälle sein…
Könnte es auch Drahtzieher in Deutschland geben?
Man hört hier einiges, es könnte auch eine Koproduktion sein. Ich habe auch schon gehört, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) involviert gewesen sein könnte. Die Überprüfung bzw. der Nachweis einzelner dieser Gerüchte ist jedoch schwer zu erbringen. Ich hätte mir als Innenminister leichter getan, den Dingen auf den Grund zu gehen. Aber interessanterweise hat man mich mit dem absurden Argument, dass ich an Aufklärung nicht interessiert sei, aus dem Innenministerium ‚hinausgeschossen‘. Doch genau das Gegenteil ist der Fall! Ich denke, dass gerade ein Freiheitlicher sehr großes Interesse entwickelt hätte, der Frage nach den Hintermännern auf den Grund zu gehen.
Ein freiheitliches Innenressort ist für uns Bedingung für die Fortführung der Koalition mit der ÖVP.
Das BVT wurde ja immer als „Kickl-Geheimdienst“ bezeichnet. Welche Art Sumpf haben Sie in diesem Dienst vorgefunden?
Ich denke, diese Bezeichnung resultiert eher aus ideologischer Verblendung mancher Teilnehmer des BVT-Untersuchungsausschusses. Ich hatte den Eindruck, es handelt sich bei Teilen des BVT vielmehr um einen Privat-Geheimdienst der ÖVP, man muss sich ja nur anschauen, was im Zuge des U-Ausschusses zutage gefördert wurde. Die SPÖ hatte solche Zugänge nicht, vielleicht auch ein Grund, warum man sich im Wahlkampf 2017 auf die Machenschaften von Tal Silberstein eingelassen hat.
Lange Zeit hatte man das Gefühl, die Regierung harmoniere wie selten eine zuvor. Wann hat es zu kriseln begonnen?
Als wir uns an die DNA des rot-schwarzen Machtsystems vorgewagt haben! Je weiter wir mit einer neuen Art des Regierens in diese vorgedrungen sind, desto komplizierter wurde es. Bestes Beispiel war die ORF-Reform mit der beabsichtigten Abschaffung der Zwangsgebühren. Da ist man sofort in Konflikt mit den Landeshauptleuten geraten, welche die Landesstudios und den Kultur-Euro als ihr Eigentum ansehen. Beim Thema ORF wie auch im Bereich der sozialpartnerschaftlichen Kammerstrukturen ist die ÖVP mit beiden Beinen auf der Bremse gestanden.
Spätestens mit der „Identitären“-Causa nach dem Attentat in Christchurch hatte man das Gefühl, die Regierungszusammenarbeit könnte bald enden…
Die ÖVP hat aufgehört, inhaltlich zu argumentieren und nur mehr moralische Linien gezogen. Plötzlich hieß es nur mehr: Das ist ‚pfui‘ oder ‚widerlich‘ und so entfällt die Grundlage, dagegen zu argumentieren. Das angesprochene Beispiel ist ein solches. Es war eine ‚Meisterleistung‘ von Sebastian Kurz, in einer hysterischen Reaktion auf dieses furchtbare Attentat in Christchurch einen Effekt zu erzeugen, der die Leute glauben lässt, das Attentat hätte in Österreich stattgefunden.

Nennen Sie uns ein Beispiel: Wo hat die „Alt-ÖVP“ konkret versucht, Einfluss auf die Regierungsarbeit zu nehmen?
Bei manchen Entscheidungen meiner Vorgänger im Innenministerium fragt man sich schon: Wo bitte sind hier die sachpolitischen Argumente? Oder ging es nicht eher darum, einem „schwarzen“ Bürgermeister oder Landeshauptmann einen Gefallen zu tun? Das klassische Beispiel war etwa die nötige Ausquartierung von Hubschraubern aus Wien Meidling. Da haben meine Vorgänger entschieden, dass diese in Wiener Neustadt angesiedelt werden sollen. Das hätte zur Folge gehabt, dass der Hubschrauber bis zu seinem Einsatzort in Wien den halben Sprit verbraucht hätte. Nach zwei Minuten Einsatz hätte der Hubschrauber wieder zurückfliegen müssen. Wir haben dann eine neue Option auf den Tisch gebracht, nämlich eine Stationierung am Flughafen Wien-Schwechat. Das wurde von der ÖVP Niederösterreich als „Kriegserklärung“ aufgefasst, weil ihr etwas weggenommen wurde. Und das, obwohl die Fakten klar für eine andere Lösung gesprochen haben!
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Den zweiten Teil des exklusiven Interviews können Sie hier weiter lesen!
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