Ein Urteil erregt Aufsehen: In Deutschland beleidigt ein türkischer Funktionär, Ex-Grünen-Kandidat und ehemaliger Leiter eines Integrationsvereins die Deutschen pauschal als “Köterrasse”. Nun hat die Staatsanwaltschaft Hamburg das Verfahren eingestellt – und die Begründung ist kurios.
Ein Kommentar von Philipp Fehrerberger
Was hat der Herr genau gesagt?
Malik Karabulut – er leitete vier Jahre lang den Verein “Türkischer Elternbund” – störte sich an der im Sommer 2016 ergangenen Resolution des deutschen Bundestags zum Völkermord an den Armeniern. Daraufhin beschimpfte er Deutsche auf Facebook pauschal als “Köterrasse” oder auch “Hundeclan”, so die Übersetzungen – denn sein Beitrag war auf Türkisch verfasst.
Er schrieb weiters: „Von ihren Händen fließt immer noch jüdisches Blut. Es hat bislang weltweit kaum ein zweites Volk gegeben, welches Menschen derart verachtet, massakriert und erniedrigt hat. Ihr nennt uns Bösewichte und wir schweigen.“ Und dann: „Erhofft sich Türkei noch immer etwas Gutes von diesem Hundeclan? Erwarte nichts Türkei, übe Macht aus! Sie haben nur Schweinereien im Sinn. Möge Gott ihren Lebensraum zerstören.“
Konkret ging es also – wie auch für jeden Laien unschwer zu erkennen – um den Straftatbestand der Volksverhetzung. Dieses Verfahren wurde nun eingestellt.
Der Gesetzestext
Der Tatbestand der Volksverhetzung liest sich in Deutschland recht ähnlich wie in Österreich.
§ 130 StGB Volksverhetzung lautet:
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- gegen eine nationale, rassische, religiöse … Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt…,
- die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, … wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe … beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Die kuriose Begründung: Deutsche sind keine “Gruppe”
Im Detail lautet die Begründung der Staatsanwaltschaft Hamburg: „Es muss sich um eine Gruppe handeln, die sich durch irgendein festes äußeres oder inneres Unterscheidungsmerkmal als äußerlich erkennbare Einheit heraushebt.“ Für die Bezeichnung „Deutsche“ treffe das nicht zu, da diese sich nicht „als unterscheidbarer Teil der Gesamtheit der Bevölkerung abgrenzen lässt“.
Die Erklärung für Menschen mit Hausverstand: Deutsche sind kein Volk.
Es gibt zwar “Türken” aber keine “Deutschen”. Oder: Es gibt ein Volk der “Türken”, aber nicht ein Volk der “Deutschen”. Oder: Unter “Deutschen” versteht man Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft, unter “Türken” aber nicht nur Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft, sondern eine nach “festen äußeren oder inneren Unterscheidungsmerkmalen” definierte Gruppe. Der Grund? Niemand weiß es. Auch weiß niemand, welche Merkmale die Staatsanwaltschaft Hamburg damit genau meint.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch, wie eine Staatsanwaltschaft dann etwa dem Türkischen Volk solche “Merkmale” zuschreiben würde (die Deutsche offenbar nicht haben), ohne dabei gegen ihre eigenen politischen korrekten Anti-Rassismus-Vorgaben zu verstoßen, nach denen sie regelmäßig Personen anklagt. Denn Beleidigungen in diese Richtung sind ja dann doch strafbar.
Wie ist das dann mit in Deutschland geborenen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund? Wie bei eingewanderten Türken, die im Nachhinein die Staatsbürgerschaft erhalten haben? Wäre es nicht deutlich einfacher, alle gleich zu behandeln, wie es das deutsche Grundgesetz vorsieht?
Droht Österreich der selbe Schmarrn?
Der österreichische § 283 StGB “Verhetzung” liest sich auszugweise sehr ähnlich:
1) Wer öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird,
- zu Gewalt gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach den vorhandenen oder fehlenden Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer körperlichen oder geistigen Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordert oder zu Hass gegen sie aufstachelt,
- in der Absicht, die Menschenwürde anderer zu verletzen, eine der in Z 1 bezeichneten Gruppen in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, oder…
ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
Auch hier: Der Gruppenbegriff. Viele werden sich jetzt fragen: Muss man fürchten, dass in Österreich wegen dem sehr ähnlichen Gesetzestext die Staatsanwaltschaften genauso vorgehen werden?
Was bisher schon mal gesagt werden kann: Urteile gegen Migranten, die Inländer beschimpft haben, sucht man auch bei uns vergeblich.
“Präjudizielle Wirkung”: Was ist das?
Faktisch entfaltet ein Urteil nur für den konkreten Einzelfall Recht. Allerdings orientieren sich die Gerichte in der Rechtspraxis an der Rechtsprechung anderer Gerichte – besonders von Höchstgerichten. Das nennt sich juristisch “Präjudizielle Wirkung”. Regelmäßig kommt es auch vor, dass sich etwa der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) an Urteilen des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) orientiert. Dass sich österreichische Staatsanwälte an der Vorgehensweise der Hamburger Staatsanwaltschaft orientieren, ist also durchaus denkbar.
Deutschland hat sich abgeschafft
Bei Nichtjuristen entfaltet eine solche Vorgehensweise auch eine Wirkung – nämlich Wut und Unverständnis. Kein rational denkender und am Boden gebliebener Mensch versteht, warum “Scheiss Türke” eine strafrechtlich relevante Beleidigung sein soll, “Scheiss Deutscher” oder “Scheiss Österreicher” aber nicht – Zurecht!
Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland lautet: “Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.”
Für die Staatsanwaltschaft Hamburg sind aber Migranten gleicher als Deutsche.
Was noch übrig bleibt ist ein Appell an die österreichische Judikative, den Hausverstand nicht genauso abzugeben wie die Kollegen aus Deutschland.
++++
Immer mehr „Fake News“ sind in den Medien im Umlauf. Doch wie soll man mit diesem Phänomen umgehen? Zu dieser Frage hat der „Wochenblick“ am 9. März in Linz eine Veranstaltung organisiert.