„Ja, mir ist das passiert“: Amtsverrat-Freispruch für ÖVP-Kronjurist Pilnacek

Auf juristischer Ebene legal, auf moralischer Ebene fragwürdig?

„Ja, mir ist das passiert“: Amtsverrat-Freispruch für ÖVP-Kronjurist Pilnacek

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Man würde ja meinen, dass einem erfahrenen Juristen, der seit Jahrzehnten wichtige Stellen im Justizministerium besetzte und über die Jahre mehrere Sektionen leitete, nicht einfach so Dinge “passieren”. Genau dies war nun aber seine Verteidigungsstrategie vor Gericht, als er sich wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs verteidigen musste. Und er hatte Erfolg damit: Denn die Richterin glaubte ihm, dass er nur einen Missstand aufdecken wollte… 

  • Einflussreicher Justizbeamter: Pilnacek galt als türkiser “Schattenminister”
  • Presse-Journalistin schoss seine Intimfeinde von der WKStA, kassierte Anzeige
  • Pilnacek wollte sich für sie einsetzen, verriet brisante Amtsinformationen
  • Gibt seinen Fauxpas zu, wollte angeblich lediglich “Missstände aufdecken”
  • Beobachter zweifeln an der Darstellung, sehen keinen moralischen Freispruch
  • Urteil polarisiert stark in der politisch interessierten Öffentlichkeit

ÖVP-naher Sektionschef als “Schattenminister”

Die Liste der ÖVP-Granden und ÖVP-nahen Beamten, die derzeit im Konflikt mit der Justiz stehen, ist lang. So wird gegen eine zweistellige Zahl hochrangiger ÖVP-Politiker aktuell ermittelt. Darunter fanden sich mehrere aktuelle und ehemalige Minister, Ex-Kanzler Kurz sowie mehrere Ex-Vizekanzler. Auch Sektionschef Christian Pilnacek, der als Kronjurist der Volkspartei gilt, geriet ins Visier der Ermittlungsbehörden. Nun ließ ihn die Justiz vorerst vom Haken.

Freilich: Besonders gut sieht die Optik um den einstigen “Schattenminister” weiter nicht aus. Zu berüchtigt sind Vorfälle, in denen er Staatsanwälten etwa riet, ein langjähriges Verfahren zu “derschlogen”. Und auch in den Affären der ÖVP-Spitze scheint er mittendrin statt nur dabei. Rund um die Razzia bei Finanzminister Blümel, bei der dessen Frau seinen Laptop spazieren führte, schrieb er in einer Chat-Nachricht: “Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?” In einer anderen bezeichnete er die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sogar als “Putsch”.

Ermittlungen gegen “Presse”-Journalistin als Auslöser

Im vorliegenden Fall ging es um die Weitergabe von Infos zu Ermittlungen gegen “Presse”-Redakteurin Anna Thalhammer. Die Journalistin, die zuletzt mit ihrem Bekenntnis zur Off-Label-Impfung für ihre zweijährige Tochter und Forderungen nach einem Arbeitsverbot für ungeimpfte Kellner für Aufregung sorgte, schrieb einst für die ÖVP-nahe Zeitung einen überbordend kritischen Artikel über die Arbeit der WKStA, die diese auf den Plan rief. Dabei handelte es sich nicht um irgendeinen Fall – sondern im weitesten Sinne um die “Prima Causa” der Republik.

Denn Thalhammer warf der Behörde die unrechtmäßige Lieferung von Nachrichten unter anderem des Schmid-Handys an den Untersuchungsausschuss vor, spielte auch sonst deren Gehalt herab. Ein nicht unerheblicher Vorwurf, taucht doch “Presse”-Chefredakteur Rainer Nowak auch als mögliche Schachfigur der türkisen Pläne darin auf. Pilnacek wandte sich daraufhin an eine Redakteurin des ebenfalls als ÖVP-treu geltenden “Kurier”. Er steckte ihr die Infos und bekundete, dass er “gerne was für die Thalhammer machen” wolle, sobald die Anzeige öffentlich sei, wie ZackZack berichtet. So quasi eine Gefälligkeit auf dem kurzen Dienstweg… 

Oberster Justizbeamter rettet die Dame aus der Not?

Dieser Weitergabe von Infos bestritt Pilnacek vor Gericht auch gar nicht: “Ja, mir ist das passiert”. Angeblich habe er darauf gedrängt, dass die Information nicht veröffentlicht wird. Für eine Verurteilung wegen Amtsmissbrauches reichte das aber trotzdem nicht. Denn nach Ansicht der Richterin verletzte Pilnacek dabei kein “öffentliches oder berechtigtes privates Interesse”. Vor dem Gericht stellte er sich zudem als Hüter der Pressefreiheit dar. Er habe Ermittlungen gegen eine Journalistin “empörend” empfunden. Skurriles Detail: Die Staatsanwaltschaft plante ohnehin keine weitergehenden Ermittlungen gegen die “Presse”-Journalistin, trotz Anzeige.

Durch die versuchte Pilnacek-Intervention, die bei der Beschlagnahme seines Mobiltelefons offenkundig wurde, gelangte dies aber an die Öffentlichkeit. Dies interpretiert ZackZack wie folgt: “Pilnacek wollte die WKStA, mit der ihn seit dem Eurofighter-Verfahren (“daschlogts es!”) eine Feindschaft verband, in der Öffentlichkeit schlecht dastehen lassen.” Pilnacek beteuert hingegen, dass er lediglich auf einen Missstand in der Justiz hinweisen wollte. Thalhammer übrigens wünschte sich schon vorab einen Freispruch für ihren eifrigen Retter in der Not.

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Urteil polarisiert in sozialen Medien

Das noch nicht rechtskräftige Urteil lässt die Wogen hochgehen. Denn manch Beobachter fürchtet, dass ein Freispruch für die Person Pilnacek als Freispruch für das “System Pilnacek” gelten könnte. In der Vergangenheit waren sogar Vorwürfe aufgekommen, wonach der ranghohe Justizbeamte die WKStA-Ermittler überwachen lassen wollte. Der Anlass wäre demnach, dass diese ihrerseits ein Mitglied der türkis-gefärbten SOKO Ibiza ins Visier nahmen.

Die Reaktionen auf den Freispruch fielen höchst unterschiedlich aus. So mancher Bürger hat kein Verständnis für diese Argumentation:

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Auch der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend war dieser Ansicht. Er schickte voraus, dass sich die ÖVP nicht zu früh über den Freispruch freuen sollte.

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Diese freilich genoss den Moment und sah im Freispruch Pilnaceks ein großes Unrecht zurecht gerückt. Dieser Ansicht ist etwa die Generalsekretärin der Jungen ÖVP, Sabine Hanger. Sie ist übrigens die Tochter von Andreas Hanger, der in jüngerer Vergangenheit wiederholt mit skurrilen Pressekonferenzen auffiel.

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Manch ein Parteikollege billigte Pilnacek sogar eine Märtyrer-Rolle zu.

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Ja, die Jubelmeldungen aus der ÖVP zugunsten eines offiziell unabhängigen Justizbeamten fielen wirklich überschwänglich aus. Ein Mitarbeiter aus dem Wöginger-Büro sprach sogar von einem “Kartenhaus der falschen Anschuldigungen”, das zusammenbreche.

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Nicht jeder hält die Erkenntnisse der Justiz für besonders konsistent, wie ein Blogger herausstellt.

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Diese Freude der Türkisen für den ihr mutmaßlich gewogenen Beamten ist für so manchen Beobachter äußerst entlarvend.

https://twitter.com/ein_realist/status/1455895308689362946

 

Andere wiederum sind der Ansicht, dass Vertreter beider exponierten Positionen auf dem Holzweg seien.

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Falter-Chef mit lachendem & weinendem Auge

Falter-Chefredakteur Florian Klenk wiederum sprach einerseits von einem “fairen Urteil” – ist aber dennoch der Meinung, dass Pilnacek “das Feld räumen sollte”. Dies macht er unter anderem daran fest, dass dieser womöglich bei ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer zum Vorteil seiner Ehefrau intervenierte. Diese ist seit 2017 Präsidentin des Landesgerichts für Strafsachen in Graz.

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Vielleicht wollte er sich aber einfach nicht weiter in die Dornen setzen. Derzeit sorgen nämlich Recherchen des “Plagiatsjägers” Stefan Weber für Aufregung. Diesen zufolge konnte der Eindruck entstehen, dass Klenk direkt von einem WKStA-Ermittler Zugriff auf den Durchsuchungsbefehl erhielt. Der Falter-Redakteur bestritt dies.

In der Folge lieferte er sich ein von vielen Twitter-Nutzern entsetzt beobachtetes Anwurf-Duell mit eXXpress-Häuptling Richard Schmitt. Diesem wurden wiederum unlautere Recherche-Methoden mittels Detektei zum Vorwurf gemacht. Mancher Politbeobachter vertrat in der Folge die Ansicht, dass beide Beteiligten nicht besonders gut wegkamen…

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