In diesen Tagen feiert Alt-Landeshauptmann Josef Ratzenböck seinen 90. Geburtstag und die Rolle des Landesvaters schien er wie kein anderer vor ihm verinnerlicht zu haben. Ratzenböck ist kein Heiliger, aber man hätte ihn in seinen Glanzzeiten glatt für einen solchen halten können.
Ein Porträt von Kurt Guggenbichler
augenzwinkernd, sollen sich glatt bekreuzigt haben, wenn sie „Ratzi“ auch nur von Fernem erspähten. Tatsächlich hätte er einen guten Landespatron abgegeben. Eine Art Schutzpatron der heimischen Wirte war er schon.
„Denn ein guter Wirt“, so hörte ich ihn als begleitender Journalist bei Gasthauseröffnungen stets „predigen“, würde doch glatt drei Psychiater ersetzen. Als Sohn eines Gast- wie auch eines Landwirtes wusste Ratzenböck auch, worüber er sprach.
Gnadenlos gut
Aus diesem Grund hat er bei seiner Amtseinführung auch gleich die Verabreichung von Bier bei Landesempfängen eingeführt.
Bis dahin hatte Regierungsrat Kernstock, „der Hofmarschall“, wie ihn Ratzenböck nannte, nur Rotwein, Weißwein, Kaffee, Fruchtsäfte und Mineralwasser verabreichen lassen. Später ließ Ratzenböck das Getränkeangebot durch Most erweitern.
Wie der Heilige Martin hat Ratzenböck auch noch als Landeshauptmann zwar nicht seinen Mantel, aber sehr oft sein Dienstauto mit Autostoppern geteilt.
„Keiner winkte am Straßenrand vergeblich“, erinnert sich seine Frau Anneliese, was sie oft missbilligte. Heftig protestierte sie, als sie an einem Sonntagmorgen zu einer Veranstaltung ins Mühlviertel fuhren und der Landeshauptmann am Straßenrand in Urfahr ein winkendes Mädchen unbedingt mitnehmen wollte.
Das sei eine Krankenschwester, die vom Nachtdienst käme und schnell nach Hause wollte, diagnostizierte „Ratzi“. Er ist ein Mann, der immer nur das Gute im Menschen sehe und das Beste von ihm denke, konstatiert seine Frau, die ihn auch als „gnadenlos tolerant“ bezeichnet.
Eine Krankenschwester war das Mädel natürlich nicht, vom Nachdienst aber kam sie schon, spöttelt Anneliese. Seiner Duftwolke nach zu schließen – Biergeruch mischte sich mit Zigarettenrauch – hatte es sich die Nacht am Urfahraner Markt um die Ohren geschlagen.
Autostopper-Freund
Aber auch deren Heimbringung wurde als gutes Werk verbucht.
Von da an sollten aber noch einige Autostopper die motorisierte Kutsche des Landeshauptmannes als Fahrgelegenheit nutzen dürfen.
Heute, in Zeiten wachsender Terrorgefahr, wäre eine solche Großzügigkeit wohl mit Gefahren für Leib und Leben verbunden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob „Ratzi“ – wäre er noch im Amt – darauf Rücksicht nähme.
Irgendwie war er offenbar doch so etwas wie ein Schutzpatron der Bürger seines Landes. Das scheinen seinerzeit nicht nur viele ältere Menschen so empfunden haben, sondern auch die jüngsten.
Denn in der kleinen Rettenbacher Volksschule in Bad Ischl hatte die Lehrerin ihren Schülern die Aufgabe gestellt, einen Aufsatz zum Thema „Landespatrone und Schutzheilige“ zu schreiben. Die kleine Karin begann ihren Aufsatz mit den Worten: „Unser Schutzpatron, der heilige Josef Ratzenböck, tut sehr viel Gutes.“