Melisa Erkurt präsentierte kürzlich ihr neu erschienenes Buch „Generation haram“. Darin möchte sie „Schule und Migration radikal neu denken“, wie der ORF berichtet. Geht es nach Erkurt, so trägt unser Schulsystem die Schuld daran, dass Migrantenkinder darin in geringerem Ausmaß brillieren.
Ein Kommentar von Bernadette Conrads
Das österreichische Schulsystem sei vorwiegend auf kleine „Pauls und Maries“ aus der einheimischen Mittelschicht ausgelegt, ätzt die muslimische ORF-Report-Journalistin in ihrem neuen Buch.
Schilderte Islamisierung in Schulen
Erkurt erregte im Dezember 2016 – damals noch als Redakteurin der österreichischen Migrantenzeitung “das Biber” – durch ihren durchaus bemerkenswerten Beitrag „Generation haram“ Aufmerksamkeit.
Darin schildert sie dass der Islam – neben Hip Hop, Youtube und Machogehabe – in überfremdeten Schulen längst tonangebend ist:
„Mensur*, der 14-Jährige, der seine Klassenkollegin Merve* aufgefordert hatte, ihren Ausschnitt zu bedecken, erklärt es mir ganz selbstverständlich: „Es ist ihre Sache, wie sie sich anzieht, aber wenn ich da hinschaue und ihren Busenschlitz sehe, ist das haram. Dann sündige ich wegen ihr. ‘Mensurs Sitznachbar lacht: „Ja, haram, Bruder!’“
Erkurt geriert sich verwundert über längst bekannte Probleme im Schulalltag mit Migranten, wenn sie zum Beispiel schreibt:
„ …dass haram abseits von Glaubensschriften mittlerweile seinen Weg in die Jugendsprache gefunden hat, war mir noch vor ein paar Monaten nicht bewusst.“
Das mag bei einer jungen Migrantin, die sich – in dezidierter Abgrenzung zur österreichischen Mittelschicht der „kleinen Pauls und Maries“ – den Anliegen des ausländischen Prekariats verschrieben hat, weltfremd anmuten. Beachtet man aber, dass sie ihre Schulzeit im Gymnasium in Purkersdorf verbrachte, ist eine gewisse Ferne zur Überfremdungsproblematik in Brennpunktschulen wiederum nachvollziehbar.
So lassen sich ihre realen Erfahrungen mit den Schulproblemen von und mit Migrantenkindern wohl auf das eine Jahr reduzieren, in dem sie an einer Wiener AHS unterrichtete und einem Medienprojekt, das sie zwei Jahre lang an verschiedenen Wiener Schulen betrieb.
Gegen Susanne Wiesingers jahrzehntelange Erfahrung im Wiener Schulsystem und ihre Einblicke in die Abgründe einer bankrotten, von links geprägten Bildungspolitik, wirkt Erkurt geradezu ahnungslos, wenn sie zum Beispiel erklärt: „Ich dachte, mich könnte eigentlich nichts mehr verwundern, aber da habe ich die Rechnung ohne „Generation haram“ gemacht.“
Feindbild: Bobo-Kinder
Eine ganze Generation würde verloren gehen, wenn wir unser Schulsystem nicht änderten, zeigt sich Melisa Erkurt in ihrem neuen Buch „Generation Haram – Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben“ überzeugt.
Die Lehrerschaft sei nach wie vor von weißen, bürgerlichen Österreichern dominiert, die nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der Migrantenkinder eingehen können. Es sei das selbe System, wie vor 100 Jahren, aber die Kinder seien gänzlich andere, beklagt sich Erkurt.
Weil sich Migranteneltern weniger um das schulische Fortkommen ihrer Kinder kümmerten, als etwa die Eltern von bürgerlichen, österreichischen Kindern, die sie polemisch als „kleine Pauls und Maries“ bezeichnet, sei es längst an der Zeit, Ganztagsschulen einzuführen. Sie sollen die Erziehungsarbeit ausgleichen, die den meisten Migranteneltern laut Erkurt aufgrund diverser Nachteile nicht möglich sei. Sie fordert damit nichts geringeres als die weitere Verschiebung der Verantwortung des Einzelnen – in diesem Fall der Eltern – hin zum Staat. Die autochthonen Eltern der „kleinen Pauls und Maries“ sollen ihre Kinder also in stärkerem Ausmaß an staatliche Einrichtungen abgeben, damit die kleinen Mohammeds und Aisches ihnen auch ja keinen Reitunterricht neiden können.
Man müsse die Kinder ganz wo anders abholen, fordert Erkurt und beschreibt die Situation von migrantischen Kindern aus Haushalten, in denen noch niemals jemand etwas gebastelt, einen Stift in der Hand gehalten habe und in denen Kindern nicht vorgelesen werden würde.
Doch anstatt zu fordern, dass die (migrantischen) Eltern stärker in die Pflicht genommen werden, verlangt Erkurt, dass sich das System den Migrantenkindern anpassen und das Niveau unter jenes der „kleinen Pauls und Maries“ nivelliert werden soll. „Bobokinder“ sollten in Ganztagsschulen mit den Kindern aus den jetzigen Brennpunktschulen durchmischt werden.
Steile Karriere im österreichischen (Schul-)System
Dafür, dass Melisa Erkurt ein dystopisches Bild des österreichischen Schulsystems, einem regelrechten Minenfeld von struktureller, rassistischer Diskriminierung zeichnet, war sie selbst durchaus erfolgreich.
Dabei legte Erkurt, 1991 als Kind muslimischer Eltern in Sarajevo geboren und nach der Flucht vor dem Bosnienkrieg in Österreich aufgewachsen, eine saubere Karriere in dem Land hin, in dem Migrantenkindern anscheinend keine Chancen eingeräumt werden. Sie hat die Ausbildung zur Gymnasiallehrerin absolviert und ist mittlerweile ORF-Report-Journalistin.
Auch ihr prominenter ORF-Kollege, Armin Wolf, zeigte sich kürzlich ganz begeistert von der preisgekrönten Journalistin und Autorin und schlug sie gar als neue Bildungsministerin vor:
Kann bitte wer Melisa Erkurt zur Bildungsministerin machen? Oder wenigstens zur Staatssekretärin für Schulen?
Und wenn das gar nicht geht: Könnten zumindest ein paar wesentliche Menschen im Ministerium ihr Buch lesen, darüber nachdenken & dann was tun? https://t.co/AcCPHXqHO3— Armin Wolf (@ArminWolf) August 17, 2020
Vielleicht wird Armin Wolfs Wunsch unter schwarz-grün bald Wirklichkeit. Erkurt wäre jedenfalls nicht die erste Ministerin mit bosnischem Migrationshintergrund, Justizministerin Alma Zadic kam ihr dabei zuvor. In einem rassistischen, diskriminierenden System wären wohl beide Biografien nicht denkbar.