Viele Bürger finden, dass der Anspruch eines Verfassungsschutzes ist, unabhängig der politischen Couleur zu agieren. Entsprechend erwarten sie von Chefs solcher Behörden auch, sich aus dem politischen Hick-Hack rauszuhalten. Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigt nun der Fall von Stephan Kramer.
Dass die politisch instrumentalisierte Behörde auf Landes- und auf Bundesebene auch in Deutschland ein Verschiebebahnhof für Parteigänger ist, ist nichts Neues. Wenn der Chef eines Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) allerdings in die umgekehrte Richtung strebt, hat das hingegen Seltenheitswert. In Thüringen soll dennoch genau das passieren – Kramer will sich im Wahlkreis 192 (Gotha-Ilmkreis) für ein Direktmandat für den Bundestag bewerben und dabei die SPD vertreten. Dies berichtete der MDR am Montag.
Amt soll erst in “heißer Wahlkampf-Phase” ruhen
Dass er dort seinen Hut in den Ring wirft begründet er damit, dass “Gotha die Wiege der Sozialdemokratie” sei. Deshalb sollte der Kreis wieder mit einem SPD-Direktmandat im Bundestag vertreten sein – nach zuletzt drei CDU-Wahlsiegen. Außerdem will er sich auch auf der Landesliste aufstellen lassen – und zwar idealerweise auf Platz drei, was einen relativ sicheren Einzug ins bundesweite Parlament ermöglichen würde, zuletzt konnte die SPD drei Kandidaten der Thüringer Landesliste nach Berlin entsenden.
Positive Aufnahme fanden diese Pläne bei Thüringens SPD-Landeschef Georg Maier. Eine prinzipielle Unvereinbarkeit sieht dieser offenbar nicht: Kramer sollte lediglich seinen Posten als Verfassungsschutz-Chef ruhen lassen, idealerweise schon ab der “heißen Wahlkampf-Phase”. An der LfV-Spitze steht SPD-Mann Kramer seit 2015, SPD-Mitglied ist er bereits fünf Jahre länger.
Posten als Sprungbrett für Politkarriere missbraucht?
Keine Freude mit der Ankündigung der Kandidatur hat indes die AfD – sowohl in Thüringen als auch im Bund die mandatsstärkste Oppositionspartei. Er unterstellt Kramer, in den vergangenen Jahren sein Amt als Verfassungsschutz-Chef zur Verfolgung eines politischen Mitbewerbers missbraucht – und nutze diesen Posten nun offenbar als Sprungbrett für eine bundespolitische Karriere, so die Kritik des stellvertretenden parlamentarischen Geschäftsführer der AfD im Landtag, Stefan Möller.
Kramer als umstrittene Personalie
Tatsächlich ist Kramer keineswegs eine unumstrittene Personalie. So sitzt der Beamte neben seiner Tätigkeit als Verfassungsschutz-Chef auch im Aufsichtsrat der äußerst linken Amadeu-Antonio-Stiftung. Die Einrichtung sorgte einst damit für Aufsehen, dass sie in einer Broschüre Zöpfe als mögliches Indiz für ein völkisches Elternhaus identifizieren wollte. In einer weiteren Handreichung rief sie zudem zum “gesamtgesellschaftlichen Konsens zur Ächtung” der AfD auf.
Auch im Hinblick auf seinen Umgang mit der patriotischen Partei, deren Einstufung als “Verdachtsfall” in Thüringen er maßgeblich mitbetrieb, gibt es schwere Vorwürfe. Kramer stützte sich etwa maßgeblich auf einen zuerst bei einem linksextremen Magazin erschienenen Artikel des Soziologen Andreas Kemper. Wie Wochenblick bereits im Februar berichtete, arbeitete ein Publizist in einem dreiteiligen Traktat heraus, dass Kemper systematisch und durchgehend Quellen und Zitate falsch verwendet“ hätte und für seine Vorwürfe keine klare Definitionen liefere.
Bewegte Karriere mit vielen Stationen
Bevor Kramer sich für ein Näheverhältnis zur Sozialdemokratie entschied, hatte er auf seinem Lebensweg bereits eine wahre Odyssee an Stationen beschritten – beruflich wie politisch. In seiner Jugend war er Mitglied der “Jungen Union” und fühlte sich dieser Partei auch nach einem abgebrochenen Studium verbunden, war Büroleiter zweier CDU-Mandatare im Bundestag.
Ab den frühen 90ern begannen dann seine “Wanderjahre”, er wechselte volley ins Büro eines FDP-Abgeordneten und trat dessen Partei bei. Später machte er sich für die Belange des jüdischen Lebens stark und war von 2004 bis Januar 2014 Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland und Leiter des Berliner Büros des European Jewish Congress. Zum mosaischen Glauben war er selbst erst einige Jahre zuvor konvertiert.