Bei der Präsentation seines Buches ,,Die Kunst der Freiheit’’ vor rund zwei Jahren gab sich der jetzige Bundespräsident Van der Bellen noch recht bedeckt, was eine mögliche Kandidatur für die Hofburg anging. Allerdings schien er sich einer anderen Sache bereits damals sehr sicher zu sein: Eine FPÖ-geführte Regierung wollte er nicht angeloben.
Ein Kommentar von Nicole Di Bernardo
Dabei redete er sich darauf hinaus, dass das Potenzial der freiheitlichen Partei seiner Meinung nach mit 30 % begrenzt sei und er somit 70 % der Wähler immer noch auf seiner Seite habe.
FPÖ – nein, SPÖ und ÖVP – ja?
Seinem Argument konnte ich schon damals nicht ganz folgen, denn auch keine der anderen Parteien schaffte den Sprung weit über diese Prozentmarke hinaus. Warum also ist es einfacher, die Wähler der Freiheitlichen Partei zu ignorieren, als beispielsweise jene der SPÖ oder ÖVP?
Auch wenn Van der Bellen seine strikte Abneigung im Laufe der letzten Jahre ein wenig aufgeweicht zu haben scheint und eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zumindest nicht mehr gänzlich ausschließt, bleibt in Fragen der Personalien und Ressortzuteilungen die Vetodrohung aufrecht.
Unglaubwürdiger „Unabhängiger“
Was mich an dieser Haltung stört, ist die Einseitigkeit mit der hier Politik betrachtet und gemacht wird. Den Schein des parteilosen Präsidenten, wie sich Van der Bellen gerne nach außen hin verkauft, nehmen ihm die meisten Wähler schon längst nicht mehr ab. Denn wenn man eine Partei, die von einem großen Teil der Bevölkerung gewählt wurde, aufgrund seiner persönlichen politischen Einstellung aus dem demokratischen Prozess ausschließt, hat dies mit Unabhängigkeit nichts mehr zu tun. Ein Bundespräsident sollte den Willen des Volkes respektieren und nicht seine individuelle Meinung durchsetzen. Dies ist nach meinem Verständnis die Aufgabe eines gewählten Volksvertreters.