Soll Orbans Regierungspartei „Fidesz“ wieder in die Familie der Europäischen Volkspartei (EVP) aufgenommen werden, oder nicht? Diese Frage sollte ein, von der EVP im Vorjahr eingesetzter Weisenrat, klären.
Seine Arbeit wurde jetzt eingestellt. Begründung: man habe keine gemeinsame Linie gefunden und keine Fortschritte erzielt. Der neue EVP-Vorsitzende Donald Tusk spielt dabei eine Schlüsselrolle. Ungarns Regierungschef, Viktor Orban, ist nicht gerade sein bester Freund.
Schüssel deckt auf
Der 30-köpfige Weisenrat zur Überprüfung der Lage in Ungarn wurde im März 2019 eingesetzt und vom Dreigestirn aus Alt-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Herman Van Rompuy (vormals Präsident des Europäischen Rates, höchstes Gremium der EU) und Hans-Gert-Pöttering (vormals EU-Parlamentspräsident) geleitet.
Schüssel bezeichnete die aktuelle Vorgangsweise in einem Interview mit der Presse am Sonntag als „eigenartig“. Die Mitglieder des Weisenrates seien nach der Einsetzung durch den früheren EVP-Chef, Joseph Daul, in einen intensiven, emotionalen, auch strittigen Dialog getreten. „Und haben meiner Meinung nach auch etwas weitergebracht. Dann kam Donald Tusk – und auf einmal war alles abgebrochen“. Tusk übernahm im November 2019 den EVP-Vorsitz.
Offener Konflikt
Der Weisenrat habe etliche Empfehlungen ausgesprochen, einige seien auch (Anm. d. Red.: von Ungarn) angenommen bzw. schon umgesetzt worden. Schüssels Ausführungen „entlasten“ den ungarischen Regierungschef, was zu einem offenen Konflikt führte.
Die Schüssel-Darstellung sei falsch, ließ Van Rompuy via Twitter wissen:
Statement by former EU Council President Herman Van Rompuy in reaction to Austrian ex-Chancellor’s Wolfgang Schüssel’s words about EPP President Donald Tusk’s role in stopping the work of the Evaluation Committee on FIDESZ’s membership in the EPP pic.twitter.com/V8rmDyIWnR
— EPP (@EPP) June 9, 2020
Er selbst habe die Arbeit des Gremiums eingestellt, weil ein Weiterarbeiten sinnlos geworden sei.
EVP-Chef Tusk kündigte allerdings schon im Februar an, der Ungarn-Bericht des Weisenrates sei fertig und die Fidesz-Mitgliedschaft sei auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Mit der Schüssel-Darstellung verliert Tusk jetzt sein Gesicht.
Mächtige Feinde
13 EVP-Mitgliedsparteien haben im Vorjahr den Hinauswurf von Fidesz gefordert, auch die türkise ÖVP, mit Sebastian Kurz, schloss sich dem an. Druck gegen Orban könnte auch von US-Investor und Philantrop, George Soros, kommen. Dieser hat großen Einfluss auf die EU-Politik und mit Ungarns Regierungschef noch einige Hühnchen zu rupfen. Insbesondere nach der wochenlangen Anti-Soros- und Anti-EU-Kampagne vom Vorjahr. Zudem wegen des Hinauswurfs der Soros-Universität, European Central University, aus Budapest – die jetzt zum Großteil in Wien lehrt.