Wenn ich mich als Frau nur noch sicher fühlen kann, wenn ich in Begleitung oder mit einem Pfefferspray in meiner Handtasche das Haus verlasse, dann läuft eindeutig einiges in die falsche Richtung. Dennoch habe ich mich dazu entschlossen, mir einen Pfefferspray zuzulegen.
Aber nicht nur die Berichte über die Silvesternacht in Köln und tägliche Schlagzeilen über sogenannte ,,Einzelfälle‘‘ drängten mich zu dieser Entscheidung: Es waren vor allem persönliche Erlebnisse, Berichte von Freunden und Bekannten, sowie auch die Sorge meiner Eltern, wenn ich abends alleine unterwegs war.
Mich beschleicht ein mulmiges Gefühl – und es geht vielen Frauen so –, wenn ich alleine durch die Straßen gehe und dabei auf eine größere Gruppe von Männern treffe, die mir anzügliche Bemerkungen hinterherrufen. Diese Angst vergrößert sich noch mit der Frage: ,,Was, wenn es bei der nächsten Begegnung nicht nur bei sexistischen Kommentaren bleibt? Kann ich schnell genug flüchten? Gibt es jemanden in der Nähe, der mir hilft?‘‘ Die Einsparungen bei der Exekutive verschlimmern die Situation. Eine Polizeistreife sieht man nur noch selten.
Die eigene Sicherheit sinkt…
Die Gebiete, die von einer Streife abgedeckt werden müssen, sind viel zu groß, um die Sicherheit der Bürger gewährleisten zu können. Und so greifen wir Frauen eben zu Mitteln der Selbstverteidigung. Wir besuchen Kurse, um die richtigen Handgriffe zu lernen, wie man Angreifer abwehrt. Wir legen gewisse Wege, vor allem abends, nur noch in Begleitung zurück. Und wir besorgen uns Waffen zur Selbstverteidigung – am häufigsten Pfefferspray, der in der Handtasche eingesteckt, schnell und effektiv genutzt werden kann.
Man fühlt sich einfach sicherer, wenn man weiß, dass man physischen und sexuellen Übergriffen nicht komplett wehrlos gegenüber steht. Aber auch wenn der Besitz eines Pfeffersprays das Gefühl der individuellen Sicherheit verbessert, erfüllt einen der Gedanke, dass dies für Frauen inzwischen zum Alltag gehört, auch mit einer gewissen Wut. Wut über die Notwendigkeit, dass wir uns inzwischen selbst verteidigen müssen, weil der Staat beim Schutz seiner Bürger versagt.
Wut über „eine Armlänge Abstand“
Wut darüber, dass unsere Töchter inzwischen nicht mehr sicher sind und sexuelle Gewalt durch Migranten als „kulturelle Differenzen“ abgetan worden. Und Wut darüber, dass uns eine Armlänge Abstand empfohlen wird und damit Opfer in Täter verwandelt werden.
Doch solange die Regierung und die Behörden hilflos daneben stehen, ist es an uns Frauen, uns notfalls selbst zu verteidigen. Warum trage ich also einen Pfefferspray? Und ist das nicht eine ängstliche, übertriebene Reaktion? Ganz einfach: Ich will mich auch nach Einbruch der Dunkelheit sicher fühlen, verschließe meine Augen nicht vor der Realität, schütze mich folglich selbst und werde nicht zulassen, zu einem weiteren traurigen „Einzelfall“ zu werden.
Ein Kommentar von Nicole Di Bernardo, [email protected]
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