Am Dienstag, dem 14. Jänner, wurden in vier deutschen Bundesländern zahlreiche Wohnungen tschetschenischer Islamisten durchsucht. Den Ermittlern war bekannt geworden, dass ein großer Anschlag auf eine Synagoge oder ein Einkaufszentrum bevorstand. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft ordnete den Zugriff an. Dabei wurden Waffen und Bargeld beschlagnahmt.
Deutsche Polizisten führten an insgesamt neun Orten zeitgleich Razzien durch. In Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen waren rund 180 Polizisten beteiligt. Dabei kamen Spezialeinheiten zum Einsatz, da mehrere der Verdächtigen über Kampferfahrung im Bürgerkrieg verfügen sollen. Der Verdacht wog schwer. Die Generalstaatsanwaltschaft sah Gefahr im Verzug, dass ein Terroranschlag auf die Neue Synagoge in Berlin-Mitte beziehungsweise Einkaufszentren geplant war.
Islamistische Propaganda und Terrorpläne
Die Behörden schöpften Verdacht, als tschetschenische Extremisten im September 2019 aus einem Fahrzeug die Neue Synagoge filmten. Als die Männer angehalten und überprüft wurden, fanden sich neben den Aufnahmen militante islamistische Propagandamaterialien. Weitere Hinweise ließen darauf schließen, dass auch Einkaufszentren im Visier der potenziellen Terroristen lagen. Die fünf Verdächtigen wurden im Anschluss observiert und unter anderem auf Verbindungen zu Anis Amri überprüft. Als einer der Männer einen längeren Auslandsaufenthalt plante, entschied man sich für die Razzien. Man konnte nicht ausschließen, dass er vor der Abreise noch eine Straftat plante – zudem wäre er im Ausland nicht mehr greifbar gewesen. Alle mutmaßlichen Terroristen haben einen “gesicherten Aufenthaltsstatus” in Deutschland.
Zu Jahresbeginn nahm eine neue Abteilung des polizeilichen Staatsschutzes die Arbeit auf, die sich speziell um islamistischen Extremismus und Terrorismus kümmert. Die Einrichtung der Abteilung ist eine Konsequenz aus dem strukturellen Versagen rund um den Terroranschlag vom Bretscheidplatz im Dezember 2016.
Bei den Hausdurchsuchungen wurden Datenträger, Waffen und Bargeld beschlagnahmt. In keinem Fall reichten die Beweise für das Verhängen der U-Haft gegen einen Verdächtigen aus. Aktuell werden die beschlagnahmten Datenträger ausgewertet um Klarheit über den Grad der Bedrohung zu bekommen. Nach der Polizeiaktion äußerte sich die Generalstaatsanwaltschaft dahingehend, dass nach aktuellem Wissensstand wohl noch keine konkrete Anschlagsgefahr bestanden habe.
Bedrohungslage in Österreich?
Tschetschenische Extremisten sind auch in Österreich immer wieder in gefährliche Straftaten verwickelt. In unserem Land leben über 30.000 Tschetschenen in einer weitgehend abgeschotteten Parallelkultur, obwohl in ihrem Heimatland seit über 10 Jahren Friede eingekehrt ist. Der Kurier berichtete im Jahr 2018, dass Tschetschenen immer wieder im Bereich der organisierten Kriminalität auffallen.
Im Jahr 2009 wurden in Österreich bei einer vergleichbar großen Polizeiaktion 18 tschetschenische Wohnungen durchsucht und acht Personen festgenommen. Grund war damals der Mord an dem Tschetschenen Umar Israilov, der in Wien-Floridsdorf auf offener Straße erschossen wurde. Die drei tschetschenischen Täter wurden 2011 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Im Jahr 2014 fand eine große Terror-Razzia in Wien und Niederösterreich statt. In beiden Bundesländern wurden tschetschenische Wohnungen durchsucht. Damals wurde aufgrund von Informationen aus Geheimdienstkreisen befürchtet, dass in Österreich lebende Tschetschenen einen Terroranschlag auf die Olymischen Spiele in Sotschi vorbereiten würden.