Das deutsche Bundesarbeitsgericht in Erfurt hatte sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob ein Verbot des Kopftuches für Lehrerinnen eine Diskriminierung darstelle.
Grundlage des Rechtsstreits war das Berliner Neutralitätsgesetz, welches pauschal das Tragen religiöser Symbole verbietet – also etwa auch Kreuze, Kippas oder Thorshämmer. Eine islamgläubige Stellenbewerberin hatte dagegen geklagt, dass auch ihr Kopftuch davon umfasst sein soll. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte nun deren Rechtsansicht – sowie eine ihr zustehende Entschädigung von 5.159 Euro wegen Nichteinstellung.
Urteil widerspricht bisherigen Justiz-Erkenntnissen
Dies könnte somit ein richtungsweisendes Urteil im bisherigen Dschungel konträrer Entscheidungen sein. So betrachtete etwa das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe etwa das hessische Kopftuchverbot bei Rechtsreferendarinnen sehr wohl als rechtmäßig. Der bayerische Verfassungsgerichtshof hatte im Vorjahr ähnliches für das Richteramt erklärt. Der aktuelle Spruch richtet sich – zumindest für Lehrerin gegen diese Urteile.
Scharfe Kritik von konservativen Parteien
Höchst unterschiedlich fielen die politischen Einordnungen zum Urteil ab – und zwar nach Richtung der jeweiligen Partei. So forderte etwa der Berliner CDU-Vize Falko Liecke umgehende Konsequenzen und eine Nachbesserung beim Neutralitätsgesetz. Das Kopftuch stehe für ein “rückwärtsgewandtes und freiheitsfeindliches Islamverständnis” und sei “ein Schlag ins Gesicht” für Muslime, die sich wegen ihres Einsatzes für einen “modernen und aufgeklärten Islam” mit Anfeindungen und Bedrohungen herum schlügen.
Unverständnis für das Urteil drückte auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Götz Frömming, der für seine Partei im dortigen Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sitzt. Es handle sich um ein “verheerendes Urteil”, weil viele Schülerinnen bereits einem Anpassungsdruck unterliegen würden. Nun mache diesen auch noch die Lehrerin vor, “wie ein sittsames Mädchen sich zu kleiden hat”.
Ein verheerendes Urteil: Schon heute sind viele Schülerinnen einem starken Anpassungsdruck ausgesetzt, wenn sie kein Kopftuch tragen. Jetzt kommt noch die Lehrerin hinzu, die vormacht, wie ein sittsames Mädchen sich zu kleiden hat. #Kopftuch https://t.co/2fIKFeqnom
— Götz Frömming, MdB (@GtzFrmming) August 28, 2020
SPD und Grüne jubilieren über Urteil
Jubelstimmung kam hingegen bei linksgerichteten Parteien auf. So begrüßte der grüne Berliner Justizsenator Dirk Behrendt die Entscheidung: “In der multireligiösen Gesellschaft muss es darum gehen, was jemand im Kopf und nicht auf dem Kopf hat.” Die Hauptstadt, so der Politiker, könne sich nicht leisten, geeignete Lehrkräfte zu diskriminieren.
Einen ähnlichen Tenor hatte die Stellungnahme des SPD-Bundestagsmandatars Helge Lindh, der unlängst mit peinlichen Ramadan-Glückwünschen für Spott und Häme sorgte – Wochenblick berichtete. Er sieht im Richterspruch ein “kluges Urteil” und erklärte das Kopftuch kurzerhand zu einem Symbol der “Selbstverwirklichung” von Frauen…
Das #Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Das Berliner #Neutralitätsgesetz rechtfertigt kein #Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Kluges Urteil! Politik muss Frauen mit & ohne #Kopftuch in ihrer Selbstverwirklichung vor Diskriminierung schützen, statt sie selbst zu diskriminieren.
— Helge Lindh (@helgelindh) August 27, 2020