Während die Chinesen in Scharen nach Afrika strömen, fliehen unzählige Afrikaner aus ihrer Heimat. Warum ist das so? Dieser Frage stellte sich kürzlich Professor Samuel Sejjaaka von der MAT ABACUS Business School in Uganda. Die Antwort darauf lässt er jedoch völlig offen.
Eine Reportage von Kornelia Kirchweger
Sejjaaka schreibt: Afrika sei immer benutzt und unterdrückt worden. Abgesehen von Stammesfehden in den eigenen Ländern, kamen später die Kriege und der Sklavenhandel. Kritisch merkt er dabei an, dass die eigenen Häuptlinge und Könige die Fittesten und Stärksten aus den eigenen Reihen für etwas Schmuck tauschten. Sie wurden im Nahen Osten, Europa und Amerika als „Arbeitskräfte“ verkauft. Später folgte die Fremdherrschaft durch die Kolonialisierung, Einheimische wurden per Gesetz vom Unternehmertum ausgeschlossen. Aus dieser Geschichte der Unterdrückung entwickelte sich ein bis heute andauerndes Gefühl der Minderwertigkeit. Dieser Zustand der Afrikaner werde von anderen Afrikanern – als Agenten der ehemaligen Kolonialisten – weitgehend aufrechterhalten, schreibt Sejjaaka.
In Massen fliehen sie jetzt nach Norden, weil sie hoffen, auf den Straßen Europas und Amerikas „Gold zu finden“. Unterdessen kommen immer mehr Chinesen nach Afrika und haben Erfolg. Sie erhalten großzügige Zugeständnisse der Gastregierungen und haben freien Zugang zu Finanzmitteln aus dem eigenen Land. Was machen also Afrikaner nicht richtig?
Wie lange werden sie weiterhin unorganisierte „Häuptlinge“ sein, die von anderen Nationen mit Entwicklungshilfe und kleinen Geschenken ausgenutzt werden?,
fragt er.
Brutaler Kultur-Genozid
Tatsächlich hat der Durchschnitts-Afrikaner kaum von Investitionen aus USA, Europa oder China profitiert. Gewonnen haben Regierungen und ihre Clans. Multinationale Unternehmen, die über den Zugang zu Ressourcen und gigantische Infrastrukturprojekte – von Straßen über Brücken, Bürogebäude, Konferenzhallen bis zu Telekom-Netzen – massiven Einfluss auf die Länder bekamen und sie finanziell abhängig machen. Dazu kommt ein brutaler Kultur-Genozid durch systematische Umerziehung. Will nämlich ein Land in Afrika Entwicklungshilfe, muss es sich zur politischen Umsetzung der „westlichen Werte“ verpflichten.
Macht China es besser als der Westen? Immer weniger Afrikaner glauben das. Die versprochenen Jobs bleiben aus. Nur in wenigen Ländern – etwa in Ruanda – kann eine Mittelschicht entstehen. China bleibt in Afrika unter sich. Etwa in den großen Wirtschaftszonen in Nairobi und Kenia, die es bald auch in Ghana, Angola, etc. geben soll. Die China South Group Industries ist dabei federführend. Sie siedelt auf günstig bereitgestellten Regierungs-Flächen Produzenten aus China an. So etwa in Nigeria, in Ogun. Über 50 Betriebe erzeugen dort Fliesen, Stahlrohre, Möbel, Tomatensauce und recyceln Plastik. In den nächsten zehn bis 15 Jahren sollen es 10.000 Betriebe in acht verschiedenen Industriezweigen, samt eigener Forschungseinrichtung, sein.
Afrikas Frust wächst
Vor allem chinesische Privatunternehmer, die es zu Hause nicht mehr so einfach haben, zieht es dorthin. In Afrika profitieren sie von einem Heer billiger und rechtloser Arbeitskräfte, geringen Umweltauflagen, so gut wie keiner Kontrolle und Regierungen, die angesichts neuer Geldquellen alle Augen zudrücken. Und sie nutzen die vorteilhaften Zollfrei-Abkommen zwischen Afrika und den USA bzw. der EU: chinesische Kleiderhersteller produzieren deshalb in Tansania und Lesotho. Nach Äthiopien gehen sie wegen des hochwertigen Leders. Trotz der vielen Vergünstigungen, die Afrika den Chinesen gewährt, klagen diese über Hürden: Die lokalen Arbeiter können die komplizierten Maschinen nicht bedienen. Doch weil die Löhne ohnehin gering sind, lässt man sie – etwa die Verpackung – in Handarbeit erledigen. Die „Bürokratie“ müsse mit finanziellen „Gefälligkeiten“ in Gang gebracht werden, um überhaupt einen Termin, Genehmigungen und Lizenzen zu erhalten. Auch die Frustration der Afrikaner wächst. Ihre Hoffnungen wurden erneut betrogen. Die versprochenen Jobs bleiben aus, die Preise steigen. Die Arbeit für Chinesen sei kein Honiglecken und schlecht bezahlt. Die Chinesen inte-
grieren sich nicht. Viele ihrer aus China eingeflogenen Arbeiter sitzen in nicht registrierten Hallen, außer Sichtweite der Behörden und potenzieller Konkurrenten.
Auch anderswo wird Kritik laut: Ein von China in Kenia umgesetztes Eisenbahn-Projekt wird als „Geisterbahn“ nach nirgendwo bezeichnet. In Madagaskar wirft man den Chinesen illegalen Export von Rosenholz und Zebu-Rindern vor. Die Nachfrage Chinas nach afrikanischen Wildtieren heizt mittlerweile die Wilderei von Sambia bis nach Mozambique an. Zudem herrscht immer mehr Sorge, dass mit den Versprechungen bezüglich neuer Firmen und Arbeitsplätze auch die Umwelt leidet und es zu Konflikten mit afrikanischen Dörfern kommt, deren angestammte Gebiete und Lebensweisen bedroht sind.